Texte von "Klänge in der Nacht" am 5.12.2014
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Mose an der Kanzel (Heiko Kuschel)
Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Als ein Zeichen für die Menschen: Die Predigten hier, sie stehen auf dem Grund der Zehn Gebote. Die Predigten, die hier gehalten werden, sie fußen auf dem Alten Testament. Ihr habt gemeinsame Wurzeln mit dem Judentum. Manchmal, in eurer Geschichte, da wäre es gut gewesen, ihr hättet auf dieses Zeichen geachtet.
Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel.
Und ich stelle fest: Ihr habt euch verändert, ihr Menschen. Immer habt ihr nach Gott gefragt und gesucht. Habt mit ihm gehadert, oft und oft. Manche von euch haben seine Existenz bestritten. Ihr habt gezweifelt und gehofft, geflucht und gebetet, Gott gelobt und ihn angeklagt.
Doch immer mehr habe ich das Gefühl: Er ist euch egal geworden. Ob Gott existiert, das ist überhaupt nicht mehr so wichtig. Glauben, das ist höchstens noch was für die ganz Frommen und ein paar Ewiggestrige. Ihr seid so sehr mit euch selbst beschäftigt, dass ihr gar nicht mehr an Gott denkt. Nur jetzt, in der Weihnachtszeit, da überlegt ihr mal kurz. Wäre schön, an Weihnachten in die Kirche zu gehen, ein Krippenspiel zu sehen, bevor die Geschenke ausgepackt werden.
Ihr Kleingläubigen! Seht nur noch auf euch selbst, auf euer eigenes, kleines, bescheidenes Leben. Armselig seid ihr. Habt weltweite Kontakte per Email und habt doch den Blick für die Größe und Weite der Welt verloren. Blickt nur auf euch selbst. In euch selbst verkrümmt seid ihr. So nannte Luther den sündigen Menschen. Ist euch alles egal geworden.
Ihr armen Menschen. So viel Erkenntnis hat euch die Wissenschaft gebracht. Und doch den Blick so klein und eng gemacht, dass ihr Gott nicht mehr erkennt. Wer glaubt schon noch an Wunder heutzutage?
Advent vielleicht (Carola Moosbach)
Lied: Wenn keiner mehr an Wunder glaubt (T: Elli Michler, M: Siegfried Fietz)
Was den Heiligen Geist betrifft (Hanns-Dieter Hüsch)
Lukas (Heiko Kuschel)
Lukas ist mein Name. Ihr kennt mich. Einer der vier Evangelisten. Der, der diese wunderschöne Weihnachtsgeschichte aufgeschrieben hat, die ihr so gerne hört, die euer Herz zum Klingen bringt: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“
Ein schönes Gefühl gibt es euch, diese Worte zu hören. Vielen wird es warm ums Herz. Ihr zündet Kerzen an, schmückt das Haus mit schön duftenden Tannenzweigen und einem Baum, ihr backt Plätzchen. Ihr beschenkt euch gegenseitig und genießt ein leckeres gemeinsames Essen.
(zornig) Ganz ehrlich: Ist das alles?
Habe ich dafür die größte Geschichte meines Lebens geschrieben, damit IHR ein paar schöne Stunden verbringen könnt und das war alles?
Habt ihr überhaupt eine Ahnung davon, was mit eurem süßen kleinen Jesulein geschehen ist, nur ein paar Jahrzehnte später? Ja, natürlich habt ihr das. Aber ihr wollt es nicht hören. Nicht wissen. Jedenfalls nicht jetzt. Und ihr wollt auch nicht hören und sehen, wie vielen Menschen auf der Welt es genau so dreckig geht.
Denkt daran: Jesus ist in meiner Geschichte nicht in einem wohlig geheizten Wohnzimmer vorm prasselnden Kamin geboren worden. Auch nicht in einem High-Tech-Krankenhaus, das auf alle Notfälle vorbereitet war. Er ist in einem dreckigen, stinkenden Stall zur Welt gekommen. So habe ich das geschrieben, um zu zeigen: Er ist zu den Armen zuerst gekommen. Zu denen, die nichts haben. Und die ersten, die davon hörten, waren die Hirten, die Außenseiter der Gesellschaft.Die Könige kamen später.
Gott ist Mensch geworden. Das ist das größte Wunder aller Zeiten! Und ihr zündet ein Kerzchen an und genießt euren Weihnachtsbraten, als wäre nichts gewesen. Berührt euch das denn gar nicht? Ändert das überhaupt nichts in eurem satten, zufriedenen Leben? Wo bleibt der , mit dem ihr euch vorbereitet, auf die Ankunft Gottes? Macht euer Herz weit, ihr Menschenkinder. Lasst Gott hinein. Lasst Gottes Botschaft der Liebe und Versöhnung leuchten in der Welt.
O Jesu was bist du lang ausgewesen (Peter Huchel)
Adventsvorbereitungen (Heiko Kuschel)
Plätzchen backen muss ich noch, Gott.
Die guten Vanillkipferl.
Die mit Marmelade.
Die Butterplätzchen.
Dann kannst du kommen, Gott.
Ach, und die Geschenke.
Bestelle ich im Internet.
Geht schneller.
Ist bequemer.
Dann kannst du kommen, Gott.
Tannenzweige hab ich schon
und Kerzenduft im Haus verteilt
ein Kranz auf dem Tisch
Lichter an den Fenstern
Dann kannst du kommen, Gott.
Nein!
Mein Herz mach ich bereit für dich.
Will still werden. Beten. Ruhen.
Dich erwarten. Mich inwendig schmücken.
Mach du mich Armen bereit für dich.
Dann kannst du kommen, Gott.
Lied: Mit Ernst o Menschenkinder (T: Valentin Thilo, M: Lyon 1557)
Grabmal Graf Christoph Carol Schlick (Grabinschrift)
Hier lieget begraben der hochwohlgeborne Herr Graf Christoph Carol Schlick, Graf zu Passau, Herr zu Weißkirchen, welcher vor dem Feinde in Hochstadt den 28. Februar 1633 geblieben, seines Alters 22 Jahr.
Des seligen Herren Grafen Täglich Symbolum zum Leichentext genommen: „Dem Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben, danach das Gericht. Hebräer 9.
Der Graf (Heiko Kuschel)
Einen schönen Sinnspruch habe ich mir da ausgesucht. „Dem Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben.“ Ja, natürlich. Aber doch nicht schon mit 22 Jahren! So war das nicht gemeint. Ich hatte mein Leben noch vor mir! Ein stolzer Graf war ich, das könnt ihr mir glauben. Frohen Mutes bin ich in die Schlacht gezogen. Dreißigjähriger Krieg, ach, ich kannte doch nichts anderes. Er begann, als ich sieben Jahr alt war. Er endete erst viele Jahre nach meinem Tod. Nur einer von vielen bin ich, die gestorben sind.
„Ich habe einen guten Kampf gekämpft“, so steht auf meiner Grabplatte. Heute frage ich: Stimmt das denn? War mein Kampf so gut? Wäre ein langes, segensreiches, friedvolles Leben nicht besser gewesen? Kinder haben. Glücklich sein. Meine Grafschaft aufbauen und zur Blüte bringen, damit es den Menschen dort gut geht. Ich hab's versäumt. Hab's doch nicht anders gelernt.
Ein Gast war ich auf Erden. Nur kurz war ich hier. Heute zeugt nur noch diese Grabplatte von mir, und selbst die wurde erst vor einem Vierteljahrhundert wiedergefunden.
Was ist mit euch?
Kämpft ihr einen guten Kampf?
Wofür lebt ihr?
Was wäre, wenn heute euer Ende käme?
Psalm 90 (Übersetzung: Jörg Zink)
Herr, du bist unsere Zuflucht Jahr um Jahr.
Ehe die Berge entstanden
und die Erde und die Welt geschaffen wurden,
bist du gewesen und bist Gott
von einer Ewigkeit zur anderen.
Du lässt die Menschen sterben
und rufst sie zurück in den Staub:
Kommt wieder, Menschenkinder!
Denn tausend Jahre sind für dich
wie der Tag, der gestern vergangen ist,
wie ein paar Stunden in der Nacht.
Du säst Menschen aus in die Welt Jahr um Jahr.
Wie das Gras, das nachwächst,
kommen sie aus deiner Hand.
Wie Gras, das in der Morgenfrühe aufwächst und blüht
und am Abend welk wird und verdorrt.
Denn wir welken hin unter deiner Glut.
Wir verdorren plötzlich unter deinem Zorn.
Denn du siehst all unser Unrecht.
In deinem Licht ist es sichtbar,
auch wenn es noch so verborgen wäre in unserem Herzen.
Ja, unsere Tage treiben dahin,
gejagt von deinem Unwillen.
Unsere Jahre verhallen wie ein Seufzer.
Unser Leben dauert 70, wenn es hochkommt, 80 Jahre.
Und was sein Stolz ist, ist Mühsal und Elend gewesen.
Denn in eilender Fahrt saust es vorüber,
wie im Fluge treiben wir dahin.
Übersetzung: Jörg Zink
Lied: Ich bin ja nur ein Gast auf Erden (T/M: Spiritual, deutsch Barbara Werner)
Before I die (Passanten)
Bevor ich sterbe, möchte ich ...
In vielen Städten auf der ganzen Welt standen schon solche Tafeln, Kreide dazu. Die letzten zwei Wochen auch hier in Schweinfurt.
Viele haben sich Gedanken gemacht. Aufgeschrieben, was sie im Leben erreichen wollen.
Liebevoll umarmt werden.
Das Glück meiner Kinder erleben dürfen.
Versöhnt gelebt haben.
Die Liebe gelebt haben.
Einen Hund haben.
Menschen Anlass gegeben haben, Gott zu danken.
Meine Kinder wiedersehen.
Ins Bayernstadion.
Meinen Enkel im Arm halten.
Mit Menschen und Gott im Reinen sein.
Die Polarlichter sehen.
Einen Keks.
Unendlich sein.
Viele Menschen zum Lachen bringen.
Mit Freunden und Familie nochmal richtig feiern.
Nichts verpasst haben.
2000 Bücher gelesen haben.
Mathe abschaffen.
Meine Familie kennen lernen.
Mit Caro in den Sonnenuntergang.
Meine Verlobte heiraten.
Ein Baumhaus bauen.
Das Gefühl haben, dass mein Leben einen Sinn gehabt hat.
Der Hauch des Todes (Heiko Kuschel)
Dieses Ziehen im Herzen.
Es tut weh. Macht Angst.
Ist das mein Ende, Gott?
Ist heut mein letzter Tag auf Erden?
Ich hatte doch noch so viel vor.
Ich wollte doch noch ...
Wie werden die Menschen mich erinnern?
Was bleibt von mir?
Ist doch alles nur Stückwerk.
So vieles gar nicht getan.
Zu wenig gelacht.
Zu wenig geweint.
Zu wenig gehofft, getrauert, gestritten, versöhnt.
Jetzt
ist es vorbei.
Chance vertan.
Oder doch nicht?
Mein Herz schlägt weiter.
Ein neues Leben. Für mich.
Was ändert sich?
Jesaja 40, 6-9
6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. 7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Am Strande Marie (Luise Kaschnitz)
Lied: Du Herr über die Zeit (T/M Heiko Kuschel)
Text und Melodie zum Anhören: Klick hier
Johannes der Täufer (Heiko Kuschel)
Johannes der Täufer bin ich. Der Vorläufer Christi. Der Bote Gottes. Der, dessen einzige Aufgabe im Leben es war, auf ihn hinzuweisen. Auf ihn, den größten, göttlichsten, im wahrsten Sinne wunder-vollsten Menschen der Geschichte.
Ich bin's zufrieden, der Mahner und Prophet gewesen zu sein. Obschon es mir nichts eingebracht hat außer ein karges Leben und einen gewaltsamen Tod. Ich bin's zufrieden, hier zu stehen und auf den Altar zu weisen. Hier, seht ihr das Spruchband um das Kreuz in meiner Hand? „Siehe, das Lamm Gottes“ steht darauf. Er, Jesus, hat noch mehr gelitten. Er war das Lamm, das der Welt Sünde trug. Er war das Opfer. Er war das Wunder aller Wunder. Er hat die Sünde und den Tod besiegt.
Ich bin's zufrieden, hier zu stehen. Dieses Wunder anzuzeigen. Gottes Lamm.
Gottes Lamm (Heiko Kuschel)
Gottes Lamm
Schutzlos
haltlos
freundverlassen
hast dich nicht gewehrt, hast
dem Feind noch die Wunde geheilt.
Ohne Netz
im freien Fall
ungehalten hast du dich
dem Menschen zugewandt.
Gottes Lamm, wahrer Mensch,
einziger in dieser
entmenschten Welt
durchbrachst den Horizont
Gabst uns ein Ziel:
Mensch
Lied: You are my all in all (Dennis Jernigan)
Petrus (Heiko Kuschel)
„Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben“, so hatte er zu mir gesagt, zu Petrus. Hier stehe ich, die Schlüssel in der Hand, und weise hin auf ihn, von dem ich alles habe.
Den Schlüssel zu haben, heißt Macht. Was haben wir sie missbraucht, die Macht, in den zweitausend Jahren seitdem. So oft haben wir nicht verstanden: Dieser Schlüssel vermehrt sich, wenn wir ihn weitergeben. Wenn wir ihn freiherzig verteilen. Die Schlüssel des Himmels – für alle sind sie da! Gott lädt alle ein in sein Reich. Die Tür bleibt nicht zu. Hätten wir das nur mal früher kapiert.
Christen und Heiden (Dietrich Bonhoeffer)
Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.
Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehn ihn verschlungen von Sünde,
Schwachheit und Tod.
Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod
und vergibt ihnen beiden.
Du - weit und vielgesichtig (Jacqueline Keune)
Lied: Wo ich auch stehe (T/M: Albert Frey)
Engel mit Rosenbogen (Heiko Kuschel)
Der kleine weiße Kinderengel. So heiße ich in der Beschreibung dieser Krippe. Ein Freudenbote bin ich! Einen Rosenbogen trage ich! Zeichen der Freude, ja der überschwänglichen Freude!
Tanzen, lachen, spielen sollt ihr.
Euch umarmen sollt ihr.
Euch küssen sollt ihr.
Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.
All eure Trauer, all eure Sorgen und Ängste,
ja sogar der Tod:
Es ist vorbei. Es ist aus. Es gilt nicht mehr.
Ihr müsst nur dran glauben.
Ich, der kleine weiße Kinderengel,
ich sage es euch.
Ans Licht (Hans Kruppa)
Es gibt so wunderweiße Nächte (Rainer Maria Rilke)
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge silbern sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Dezember-Psalm (Hanns-Dieter Hüsch)
Gebet (unbekannt)
Wir feiern Weihnachten, Gott,
wir feiern das Wunder,
dass du, Gott, als Mensch in die Welt kamst.
Wir bitten dich:
Lass uns dieses Wunder spüren!
Lass Weihnachten werden, Gott,
lass Weihnachten werden für uns und alle,
die Weihnachten verloren haben.
Wir bitten dich für die Menschen,
die heute einsam und traurig sind,
die sich verlassen fühlen.
Lass sie durch ihre Tränen hindurch die Freude entdecken.
Wir bitten dich für die,
die nichts zu essen und keine Heimat haben.
Für die Menschen auf der Flucht in ihren Verstecken.
Zünde ihnen ein Licht an in dunkler Nacht.
Wir bitten dich für die, deren Herz stumpf bleibt.
Die nichts mehr hören können vor lauter Weihnachtsgeschrei,
die nichts mehr sehen wollen, vor lauter falschem Glanz.
Erzähle du ihnen, ganz leise, was Weihnachten ist.
Lass Weihnachten werden, Gott.
Heute und morgen und jeden Tag.
Amen.
Lied: Der Müden Kraft (T: Eugen Eckert, M: Johannes Müller)
Dateianhang
Ich bin Mose
Texte aus den ersten zehn "Klängen in der Nacht" finden Sie im Buch:
"Ich bin Mose. Kirchliche Kunstwerke erzählen" von Heiko Kuschel, ISBN 978-3-7347-4264-4, 7,90 €
www.ichbinmose.de