Texte der Klänge in der Nacht am 8.12.2023

Station 1: Mose

Mose an der Kanzel

Ich bin Mose. Vor 329 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Als ein Zeichen für die Menschen: Die Predigten hier, sie stehen auf dem Grund der Zehn Gebote. Die Predigten, die hier gehalten werden, sie fußen auf dem Alten Testament. Ihr habt gemeinsame Wurzeln mit dem Judentum. Manchmal, in eurer Geschichte, da wäre es gut gewesen, ihr hättet auf dieses Zeichen geachtet.

Ich bin Mose. Seit 329 Jahren stehe ich hier. Und noch zehnmal länger ist es her, dass ich das Volk Israel aus Ägypten, aus der Knechtschaft führte.

Ihr glaubt nicht, wie oft ich mich gefragt habe: War es recht? War das wirklich Gottes Wille? Habe ich sie nicht vielmehr in ihr Verderben geführt als in die Freiheit?

Was musste Israel, Gottes geliebtes Volk, erdulden in diesen drei Jahrtausenden!

Das babylonische Exil.

Die Zerstörung des zweiten Tempels durch die Römer.

Fast zweitausend Jahre Vertreibung, Exil, Ausgrenzung, Verfolgung.

Überall schlug und schlägt meinem Volk Hass entgegen, der letztlich in der Shoah gipfelte.

Und nun haben wir wieder eine Heimat, dort in Israel. Aber Frieden? Den kennen wir kaum.

Die Schmerzen, die Trauer, das Entsetzen der letzten Wochen gesellen sich zu all den Erfahrungen, die unser Volk schon seit Jahrtausenden macht.

War es recht, dass ich das Volk Israel aus der Knechtschaft geführt habe?

Wollte Gott das alles – all die Kriege, die Verfolgungen, Millionen von Toten?

Das kann und will ich nicht glauben.

Aber ich bin müde.

So müde.

Ich sehne mich

seit Jahrtausenden

nach Frieden.

Nach Freude.

Nach dem, was uns die Propheten versprachen, vor so langer Zeit.

Komm, du Friedefürst!

Komm, du Friedefürst,

komm doch endlich!

Die ganze Welt sehnt und ächzt

Die geschundene Natur beugt sich tief

Bomben, Granaten, Drohnen, Messer.

Kinder sterben.

Und Greise.

Eine Welt vergeht.

Und noch eine.

Und noch eine.

Und noch eine.

Seit Jahrtausenden.

Hat es nie ein Ende?

Willst du nicht endlich ein Machtwort sprechen,

du Friedefürst?

Schlag drein, zeig ihnen, wer das Sagen hat!

Vernichte die Vernichter!

Vernichte all die Panzer und Bomben und Granaten

mit einem großen Blitz!

Komm endlich, Friedefürst,

wir brauchen dich!

Mach endlich Schluss

mit all dem Leid und der Gewalt!

Doch du

Friedefürst

bist nicht so.

Du

Friedefürst

bist klein

und leise

und sanft.

Jesaja 11

Rainer Knieling

Danach sehnt sich mein Herz

Rainer Knieling

Lied: Ewigkeit

Station 2:Konfessionsbild

Das Konfessionsbild

25. Juni 1530. Fast fünfhundert Jahre ist es her, der denkwürdige Moment, der auf diesem Bild dargestellt ist. So etwas wie die endgültige Gründung der lutherischen Konfession.

Kaiser Karl der Fünfte bin ich. Hier auf dem Throne seht ihr mich sitzen. Ich hatte zum Reichstag in Augsburg geladen. Ich wollte endlich wieder Frieden haben im Land. Die Streitigkeiten beenden, die seit diesen 95 Thesen des Dr. Martinus Luther im Lande herrschten. Seit 13 Jahren ging das nun schon so. Am liebsten wäre mir gewesen, diese ganzen Neugläubigen hätten anerkannt, dass der alte Glaube doch der rechte war.

Aber nein, sie überreichten mir diese Schrift, Lateinisch und Deutsch geschrieben. Ihr eigenes Glaubensbekenntnis von Augsburg, lateinisch Confessio Augustana.

Ja, sie war gut geschrieben, diese Confessio. Die Herren Theologen warben um mein Verständnis. Sie zeigten sich versöhnlich, wollten nur einige Fehlentwicklungen korrigieren, wie sie sagten.

Ganz überzeugt hat es mich nicht. Aber letztlich blieb mir nichts anderes übrig, als ein Vierteljahrhundert später im Augsburger Religionsfrieden diesen Neugläubigen Toleranz zuzusichern.

Was für ein die Religion prägendes Dokument mir in diesem Moment überreicht wurde, habe ich vielleicht geahnt, aber es wurde erst sehr viel später klar. Noch heute tragen manche evangelische Kirchen in der Welt den Zusatz „A. B.“ für „Augsburgischen Bekenntnisses“. Ihr seht also hier, auf diesem Bild, so etwas wie den wirklichen Geburtstag der evangelischen Kirche.

Das Bild ist viel später entstanden, vielleicht 60, 70, gar 100 Jahre nach diesem denkwürdigen Ereignis. Niemand weiß mehr, wer es gemalt hat. Nur, dass es wohl das älteste einer ganzen Reihe solcher Bilder ist.

Aber von dem versöhnlichen Ton von 1530 ist auf diesem Bild nichts mehr zu erkennen. Schaut unter den Altar – dort seht ihr einen Bocksfuß und ein Gerippe und die Namen all der Andersgläubigen, auch der anderen Reformatoren, den Papst und viele weitere. So schnell war die Versöhnungsbereitschaft der Augsburger Konfession wieder verflogen.

Ach, warum nur ist es allezeit so schwer, den Frieden zu halten?

Ich, Kaiser Karl der Fünfte, weiß wahrlich, wovon ich da spreche.

Warum kann nicht Friede sein?

Proklamation

Wir laden einst mit Himbeersaft die Flinten
Und schenken sie den Säuglingen zum Spiel
Und nageln den Kanonen vorn und hinten
Ein hölzern Joch ins mörderische Ziel.

Vom Rost erblinden dann die Panzerschiffe
Und senken stumm sich in den Meereskies:
Dort in dem Sand der tief versteckten Riffe
Entschläft für Ewigkeit das Goldne Vlies.

Doch noch ist’s weit. Noch leben die Geschütze.
Noch hängen scharfe Flinten an der Wand,
Noch exerzieren Krieg in Frost und Hitze
Soldaten auf der See und auf dem Land.

Noch gilt es, Bruder Böttcher, lang zu bohren,
Bis aus der Birkentonne dunklem Schrein
emporschießt, flammend und im Rausch geboren,
Der Aufruhr, gleich dem tausendjähr’gen Wein.

Dann laden wir mit Himbeersaft die Flinten
Und schenken sie den Säuglingen zum Spiel
Als Denkmal einer Zeit, die statt in Hyazinthen
Im Dorngestrüpp vermorscht zusammenfiel.

Maik Johansen

In Gott zu Hause


 

Reiner Knieling

Lied: Der kleine Friede

Station 3: Johannesbild

Conrad Geiger

Ich bin Conrad Geiger. Maler dieses wunderschönen Bildes, mein ganzer Stolz. Eines der letzten Werke vor meinem viel zu frühen Tod. Ihr seht mich selbst auf dem Bild, nicht sehr groß, aber deutlich erkennbar, genau unter der ausgestreckten Hand von Johannes dem Täufer. Meine ganze Familie habe ich auf diesem wunderbaren Bild verewigt, doch das gefiel den Schweinfurtern ganz und gar nicht. Viel Verfolgung und Kritik musste ich dafür einstecken. Dabei ging es doch gar nicht um mich. Und irgendwie auch nicht um Johannes den Täufer, der doch Namensgeber dieser Kirche ist, zusammen mit dem Evangelisten Johannes.

Die verworrene Geschichte dieses Bildes begann 220 Jahre früher, im Jahre 1587. Damals musste Balthasar Rüffer, ein reicher Händler und Oberbürgermeister in Würzburg, wegen der Gegenreformation seine Heimat verlassen und kam mit sieben Kindern zu uns, in die freie Reichsstadt Schweinfurt. Hier war er herzlich willkommen. Hier wirkte er weiter, wurde später auch hier Bürgermeister. Er war ein beliebter und wohltätiger Mann, nach dem hier in Schweinfurt heute sogar eine Straße benannt ist.

Doch als der Friedhof, auf dem er begraben war, im Jahr 1805 verlegt wurde, holte seine Familie sein Grabmal aus Messing nicht rechtzeitig ab, worauf es von der Regierungskommission sozusagen als Altmetall verkauft wurde.

Dagegen protestierte die Familie, das erlöste Geld musste zurückgegeben werden – und es ging an mich, damit ich dieses Bild von ihm und Johannes dem Täufer malte.

So sind nun unsere Geschichten über die Jahrhunderte weg untrennbar miteinander verbunden. Die Geschichte von Balthasar Rüffer, gestorben 1599, reicher und wohltätiger angesehener Bürgermeister, und meine, Conrad Geiger, einfacher Reisemaler, gestorben 1808, der immerhin einen kleinen Skandal auslöste, indem er seine Familie ins Bild malte.

durch die Zeit

Manchmal

da hören wir sie

in unseren Gedanken

unseren Erinnerungen

manchmal

da hören wir sie

die Menschen aus anderer Zeit.

Ganz leise, durch die Zeit hindurch,

das Lachen und Weinen

die Hoffnungen und Sorgen

der Menschen, die vor uns waren.

Der Menschen, die noch sein werden.

Durch die Zeit

sind wir verbunden

in der Ewigkeit

werden wir uns sehen

werden uns erkennen:

Hörte ich dich nicht,

damals,

Jahrhunderte her?

Den Widerhall deines herzerfrischenden Lachens

das große Klagen deiner herzzerreißenden Trauer

Jetzt, Bruder, Schwester,

jetzt, in der Ewigkeit,

sind wir endlich eins.

Für ewig.

Neues Erleben

Hermann Hesse

Lied: In Christ alone

Station 4: Lichtkreuz

Himmelsleiter, fest

Zu manchen Zeiten schwebt es über uns, dort wo jetzt der Adventskranz hängt. Majestätisch langsam bewegt es sich im Luftzug. Streut das Licht immer wieder anders in jedem kleinen Moment.

„Himmelsleiter“ nannte Ludger Hinse dieses Kreuz. Denn wer genau hinsieht, erkennt den Weg nach oben im Stamm des Kreuzes. Und wer den richtigen Winkel findet, sieht sich selbst in dieser Leiter.

Unbewegt und unbeweglich hängt es jetzt hier, an dieser Wand. Wartet auf seinen nächsten Einsatz, zu dem es wieder strahlen und funkeln kann. Das lichterfüllte Kreuz. Zeichen des Leidens und des Todes und doch voller Licht, voller Kraft, selbst hier, an dieser Wand. Und es weiß:

Ich werde wieder schweben!

Das Licht

Und es geschah,

mitten im Bombenhagel

mitten im tiefsten Hunger

mitten in den zerbombten Straßen

da riss der Himmel auf

und die blutrote Sonne überstrich

mit ihren Strahlen

den kalten Beton

die toten Leiber

die Bomben, die Ruinen, die Gräber.

Blutrot lichtvoll tönte die Stimme:

Fürchte dich nicht!

Lasst euch bescheinen

Reiner Knieling

Lied: Jahreswende

Station 5: Krippe

Die Krippe

Jedes Jahr stehen wir hier, bestaunen das Geschehen. Natürlich kennen wir all die Erzählungen von Maria und Josef, von den Engeln, von den Hirten, vom Kind im Stall. Und doch: Diese uralten Geschichten berühren nach wie vor unser Herz.

Diese uralten Geschichten von Gott, der sich nicht zu schade war, in einem Stall zur Welt zu kommen.

Diese uralten Geschichten von den Hirten, mit denen niemand was zu tun haben wollte, und die doch die frohe Botschaft als erstes erfuhren.

Diese uralten Geschichten von den weisen Männern, die von weit her kamen, um dem Kind ihre Aufwartung zu machen.

Und mittendrin in der Krippe:

Das Kind.

Der Menschensohn, wird er später sagen.

Gottes Sohn, werden die Menschen sagen.

Ketzer, werden einige sagen, und ihn töten.

All das, die ganze Geschichte der Menschheit,

von Geburt über Vertrauen und Liebe über Hass und Hetze bis zum Tod.

Das kennen wir.

Das ist unser Leben.

Versammelt auf ein paar Quadratmetern

hier, in der Krippe.

Aber hier – hier geht es weiter.

Wir spüren es, wir wissen es:

Hier beginnt etwas Neues.

Die ganz neue Geschichte Gottes

mit uns.

Eine Geschichte der Liebe.

Die einzige Geschichte, die kein Ende kennt.

Sie beginnt hier.

Heute.

Bei dir.

Was es braucht

Hanna Buting

Winterweh

Erika Burkart

Jesaja 11

(dazu leise Flöte: Es ist ein Ros entsprungen)

Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.

2 Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.

3 Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören,

4 sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande.

5 Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften.

6 Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben.

7 Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder.

8 Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter.

9 Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt.

10 Und es wird geschehen zu der Zeit, dass das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker.

Gebet

Wir feiern Weihnachten, Gott,

wir feiern das Wunder,

dass du, Gott, als Mensch in die Welt kamst.

Wir bitten dich:

Lass uns dieses Wunder spüren!

Lass Weihnachten werden, Gott,

lass Weihnachten werden für uns und alle,

die Weihnachten verloren haben.

Wir bitten dich für die Menschen,

die heute einsam und traurig sind,

die sich verlassen fühlen.

Lass sie durch ihre Tränen hindurch die Freude entdecken.

Wir bitten dich für die,

die nichts zu essen und keine Heimat haben.

Für die Menschen auf der Flucht in ihren Verstecken.

Zünde ihnen ein Licht an in dunkler Nacht.

Wir bitten dich für die, deren Herz stumpf bleibt.

Die nichts mehr hören können vor lauter Weihnachtsgeschrei,

die nichts mehr sehen wollen, vor lauter falschem Glanz.

Erzähle du ihnen, ganz leise, was Weihnachten ist.

Lass Weihnachten werden, Gott.

Heute und morgen und jeden Tag.

Amen.

Sabine Bäuerle

Vaterunser

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

Weihnachtssegen

Und nun geht. Geht mit Gottes Segen.

Geht hinein ins Dunkel dieser Nacht.

Spürt in allem, was euch dort begegnet,

die Freude, die euch Gott hat zugedacht.

Also geht. Gehet eure Wege.

Füllt die Erde an mit Zuversicht.

Singet laut an gegen alle Zweifel

von dem, der durch dies Kindlein zu uns spricht.


Doch nun geht. Die Nacht ist voller Wunder.

Das Leben ist erschienen uns im Kind.

Es lässt uns ahnen Licht und Fried und Freude

für alle die, die guten Willens sind.

Lied: Leise rieselt der Schnee