Texte der "Klänge in der Nacht" am 18.3.2022

Mose

Mose an der Kanzel

Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Als ein Zeichen für die Menschen: Die Predigten hier, sie stehen auf dem Grund der Zehn Gebote. Die Predigten, die hier gehalten werden, sie fußen auf dem Alten Testament. Ihr habt gemeinsame Wurzeln mit dem Judentum. Manchmal, in eurer Geschichte, da wäre es gut gewesen, ihr hättet auf dieses Zeichen geachtet.

Ich bin Mose. Seit über 300 Jahren stehe ich hier. Doch in der letzten Zeit wäre ich manchmal am liebsten weggelaufen. Hätte diesen Platz verlassen. Weg aus dieser Welt, die immer unmenschlicher zu werden scheint.

Menschen fliehen. Vor Kriegen und vor Hunger. Vor Bomben, Raketen und Zerstörung. Alles selbst schon erlebt, die Zerstörung, die Bomben, 80 Jahre ist das her und unvergessen für mich. Die ganze Kirche ein Trümmerhaufen, die Kanzel über mir in tausend Einzelteile zersplittert, ich darunter im Schutt. Alte Bilder kommen in mir hoch, so wie in vielen alten Menschen heute.

Und heute wiederholt sich das alles, nicht weit von hier. Millionen sind auf der Flucht. Hunderttausende haben nicht das Nötigste zu Essen und zu Trinken.

Vor zwei Jahren wollte ich euch anklagen dafür, wie wenig ihr euch um die Flüchtenden aus Afrika und Syrien kümmert, doch ihr seid nicht gekommen. Zwei Jahre lang habe ich euch nicht gesehen und manches hat sich geändert.

Heute seid ihr mitfühlend, solidarisch mit den Menschen aus der Ukraine. Aber die anderen? Die aus Afrika, aus Syrien?

Weiterhin seht ihr zu, wie sie voller Verzweiflung in die völlig untauglichen Schlauchboote steigen. Ihr seht zu, wie sie ertrinken im Meer. Das Mittelmeer, in dem ihr im Sommer zur Erholung planscht, ist ein großes Grab geworden. Die Grenzen Europas sind dicht für alle, die nicht aus der Ukraine fliehen.

Ich bin Mose. Vor über 300 Jahren stellte man mich unter diese Kanzel. Ich habe Schlimmes erlebt in dieser Zeit, schwere Kriege, unmenschliche Verfolgungen, den Massenmord an uns Juden. Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr zusehen, wenn Menschen elend umkommen im Dreck. Wenn sie untergehen im Meer. Wenn Kinder im Bombenhagel sterben. Lasst mich gehen. Lasst mich hier raus.

Es ist genug

Es ist genug!

So nimm nun, Herr, meine Seele.

Ich bin nicht besser denn meine Väter.

So klagte Elia.

So klage ich.

Es ist genug!

So viel Leid,

so viel Terror,

so viel Flucht

Angst

Bomben

Tod.

Es ist genug.

Gottes Verlangen

Marie Luise Kaschnitz

Lied: Sound of Silence

Johannes der Täufer

Johannes

Johannes der Täufer mein Name. Hier an der Kanzel stehe ich seit langer Zeit. Zwischen den vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes hat man mich platziert. Schließlich bin ich, zusammen mit dem Evangelisten Johannes, der Namenspatron dieser Kirche.

Ich bin der, der den Messias taufte. Ich bin der, der auf ihn hinwies. In meiner Zeit rief ich die Menschen zur Umkehr auf. Ich drohte mit Gericht – und ich verhieß die Gnade Gottes, die sich zeigen würde in dem einen. In dem, der endlich zu mir kam. Ich erkannte ihn und fiel vor ihm nieder. Wollte ihn, der keine Sünde kannte und keiner Umkehr bedurfte, nicht taufen, aber er bestand darauf.

So wurde ich zu Johannes, dem Täufer. Zu dem, der dem Messias den Weg bereitete. Zum Rufer in der Wüste. Zum unbequemen Mahner.

Hier, in dieser Kirche, bin ich es auch: Der unbequeme Mahner. Der Krieg hat mich dazu gemacht. Denn niemand wusste nach dem Krieg und all der Zerstörung mehr, was ich einmal in der Hand gehalten hatte. Doch irgend etwas muss es gewesen sein. Die Menschen, die die Kanzel nach den schweren Kriegsschäden wiederherstellten, drückten mir eine Wurfschaufel in die Hand. Ich, der Prophet des Gerichts und der Verheißer der Erlösung, ich hatte nun Anteil an ihrem Leben. Ich war einer von ihnen. Mit der Schaufel machten sie sich auf, den Schutt zusammenzutragen. Mit der Schaufel stand ich wieder hier, an der Kanzel. Einer von ihnen. Einer von euch.

Bis heute mahne ich. Zur Umkehr. Zum Frieden. Ich frage euch: Wo ist Friede unter euch? Wo ist die Gerechtigkeit? Wo die Versöhnung? Wie lange noch muss ich diese Schaufel tragen, euch zur Mahnung?

Kriegslied

’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,

Und rede Du darein!

’s ist leider Krieg – und ich begehre,

Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen

Und blutig, bleich und blaß,

Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,

Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,

Verstümmelt und halb tot

Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten

In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,

So glücklich vor dem Krieg,

Nun alle elend, alle arme Leute,

Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten

Freund, Freund und Feind ins Grab

Versammelten, und mir zu Ehren krähten

Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?

Die könnten mich nicht freun!

’s ist leider Krieg – und ich begehre,

Nicht schuld daran zu sein!

Matthias Claudius 1778

Lied: Verleih uns Frieden gnädiglich

Junker Wolff von Steinau Steinrück

Grabmal

Gestatten, Junker Wolff von Steinau Steinrück mein Name. In Euerbach lebte ich und erbaute vielleicht das Untere Schloss. Heute ist davon nichts mehr übrig. Doch immerhin, das Wappen meiner Familie ist zum Teil im Wappen Euerbachs erhalten. Drei Räder, ihr seht sie über mir, über meinen Händen. Zwei Räder sind es im Wappen von Euerbach, drei in Poppenhausen bei Fulda.

Ein Sühnewappen war es, denn meine Vorfahren hatten Jahrhunderte vor mir einen Abt ermordet. Zur Strafe wurde uns unser altes Wappen verboten. Ja, es war eine schwere Zeit mit Kämpfen, mit Raubzügen, mit Zerstörungen. Mehr als zweihundert Jahre lang gab es immer wieder Krieg, Fehden, Eroberungen. Nicht viel war übrig von meinem Adelsgeschlecht.

Das war selbst zu meiner Zeit schon Jahrzehnte her. Es hat sich nicht gelohnt, das sage ich euch. Krieg bringt nichts Gutes, nur Leid und Verlust.

Ich verkaufte meinen letzten Besitz, zog nach Euerbach. Noch heute leben Nachfahren mit dem Namen von Steinau-Steinrück. Doch in Euerbach erinnert nicht mehr viel an uns.

Auch von mir ist nicht viel bekannt, nur dieses Grabmal zeugt von meiner Existenz. Mein Leben habe ich gelebt als Ritter, als Kämpfer. Euch mag das seltsam vorkommen. Ich halte mich fest an dem Gedanken: Ich hatte immer Gutes im Sinn. Ob es so war? Ob ich Menschen helfen konnte? Oder brachte ich Tod und Verderben, wie manche meiner Vorfahren?

Nun, am Ende meines Lebens, lege ich meinen Helm ab. Lege ihn vors Kreuz. Schaue auf zu meinem Herrn Jesus. „Spes mea Christus“, Christus ist meine Hoffnung: So steht es auf dem Spruchband zwischen Jesus und mir. Ich frage ihn, meinen Herrn und meine Hoffnung: Hatte mein Leben einen Sinn? Zu dir, Jesus, will ich kommen. Am Ende sagen können: Es war für dich, mein Leben, und es war gut. Wirst du mich annehmen? Werde ich bei dir sein können? Bin ich bei dir? 437 Jahre bin ich nun schon tot. Was bleibt?

Gespräch mit einem Überlebenden

Erich Fried

Frieden nicht benötigt

In den Achtzigern kaufte ich ein Buch:

"Gedichte gegen den Krieg".

Ich weiß noch, wie es aussah.

Wie es sich anfühlte.

Klein war es, aber dick.

Spüre das Papier zwischen den Fingern.

Die störrischen Seiten, eng geheftet.

Zerlesen, zerblättert, damals.

Ich finde es nicht mehr.

Wir hatten lange, sehr lange

so selbstverständlich

Frieden.

Seligpreisungen

Als Jesus die Volksmenge sah,

stieg er auf einen Berg.

Er setzte sich und seine Jünger kamen zu ihm.

2 Jesus begann zu reden und lehrte sie.

3 »Glückselig sind die, die wissen,

dass sie vor Gott arm sind.

Denn ihnen gehört das Himmelreich.

4 Glückselig sind die, die trauern.

Denn sie werden getröstet werden.

5 Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind.

Denn sie werden die Erde als Erbe erhalten.

6 Glückselig sind die, die hungern und dürsten

nach der Gerechtigkeit.

Denn sie werden satt werden.

7 Glückselig sind die, die barmherzig sind.

Denn sie werden barmherzig behandelt werden.

8 Glückselig sind die, die ein reines Herz haben.

Denn sie werden Gott sehen.

9 Glückselig sind die, die Frieden stiften.

Denn sie werden Kinder Gottes heißen.

10 Glückselig sind die, die verfolgt werden,

weil sie für Gottes Gerechtigkeit eintreten.

Denn ihnen gehört das Himmelreich.

11 Glückselig seid ihr, wenn sie euch beschimpfen,

verfolgen und verleumden, weil ihr zu mir gehört.

12 Freut euch und jubelt!

Denn euer Lohn im Himmel ist groß!

Genauso wie euch

haben sie früher die Propheten verfolgt.«

Matthäus 5 - BasisBibel

Lied: Freunde dass der Mandelzweig

Holzkreuz

Holzkreuz

Jesus am Kreuz. Eine Darstellung aus einer anderen Zeit. Über 500 Jahre alt ist dieses Kreuz, seit über 100 Jahren hängt es hier, in diesem Chorbogen.

Die Augen geschlossen – schläft er? Ist er schon gestorben? Die Arme ausgebreitet am Kreuz, die Hände durchbohrt, und doch sieht es aus, als wolle er segnen, als wolle er die Welt umarmen. Er, der Schmerzensmann am Kreuz, ist hier. Segnet. Liebt, selbst noch im Tod. Er liebt diese kranke Welt.

Die Schatten des Kreuzes pflanzen sich fort. Größer wirkt das Kreuz im Gewölbe. Wie so oft: Die Schattenseiten sehen wir größer und stärker als das Licht. Und ihn, Jesus, der uns segnet: Ihn sehen wir im Schatten nicht.

Psalm 79: Die Stadt Gottes

Hanns Dieter Hüsch

Riss in der Zeit

„Es ist vollbracht!“
So sprach er.

Und die Zeit selbst
riss entwei
für einen Moment
für alle Ewigkeit

und durch den Riss
quollen sie
aus allen Zeiten
aus aller Welt

die Fliehenden
die Hungernden
die Untergegangenen
die Gefolterten

die Ausgemergelten
in den Konzentrationslagern
die Ausgebeuteten
die Erniedrigten

zu ihm schrien sie
und wurden errettet.
Sie hofften auf ihn
und wurden nicht zuschanden.

Und der Himmel stand offen
für sie
für einen Moment
für alle Ewigkeit.

und er, am Kreuz,
die Hände liebend ausgestreckt,
seufzte ein letztes Mal
und verschied.

Lied: Were you there when they crucified my Lord

Einmal

Paul Celan

Es muss doch noch irgendwo sein

Marie-Luise Kaschnitz

Lied: Were you there (eine Strophe)

Georg Ofner

Georg Ofner

Vor 490 Jahren starb ich, Georg Ofner, Prior des Karmelitenklosters zu Schweinfurt. Doch mein Grabstein fand erst später seinen Ruheplatz hier, in dieser Kirche. Meinem Kloster war keine lange Zeit mehr beschieden nach meinem Tode: Zehn Jahre später kam die Reformation, es wurde aufgelöst und im Zweiten Marktgrafenkrieg völlig zerstört. Vielleicht gab es noch Menschen, die mich kannten und ehrten. Sie brachten den Stein hierher, in dieser Kirche.

Und die Reste meines schönen Klosters, der Ort so vieler frommer Gebete und des Strebens nach Gott? Alles wurde abgetragen, kein Stein blieb davon übrig außer dieser hier, vor dem ihr steht.

Wo ich mit meinem Brüdern einst wandelte, betete, lebte, entstand ein Friedhof. Der alte Friedhof. Zwischen Main und der heutigen Heilig-Geist-Kirche. Ein kleiner Park ist es heute. Wieder ein Ort der Ruhe, der Einkehr. Ja, Gottes Wege sind manchmal unergründlich. So wie es heute ist, so mag es gut sein. So haben wir Karmeliten euch für eure Zeit noch etwas Schönes hinterlassen. Möget ihr dort Ruhe und Frieden finden. Möge Gott euch dort nahe sein.

Komm näher, Frieden, komm

Walter Helmut Fritz

Ans Licht

Hans Kruppa

 

Lied: Du Gott der vielen tausend Wege

Auferstehungsbild Altar

Der Tod

Ich bin der Tod.

Das Ende.

All das Grauen

Die Bomben

Die Trauer

führen zu mir.

Ich bin der Tod.

Ihr dachtet, ihr seid

drüber hinweg.

Doch nein,

ich kriege euch

alle.

Ich bin der Tod.

Ich bin das Ende.

 

Hier sind wir

Uwe Michael Gutzschhahn

Der halbfertige Himmel

Tomas Tranströmer

 

Lied: Weitergehn

O unvertrauter Gott

Janet Morley

Jesaja 40: Ihr seid mein Volk

Hanns-Dieter Hüsch

Lied: Der Müden Kraft

Vaterunser

Ostersegen

Und nun geht. Geht mit Gottes Segen.
Geht in euer Leben, voller Kraft.
Liebt und streitet, lacht und weint,
lebt jeden Tag voll großer Leidenschaft.

Also geht. Gehet eure Wege.
Füllt die Tage, die er euch geschenkt.
Nutzt eure Gaben, bringt die Welt zum Blühen!
Denn alles kommt von dem, der Erd und Himmel lenkt.

Und nun geht. Das Leben ist voll Wunder.
Und selbst der Tod ist nunmehr nur ein kleines Tor.
Aus allem Dunkel, allen Trauerfalten
spitzt heut das Licht von Gottes Liebe vor.

Lied: Dein Segen leuchtet in der Nacht