Wie es euch belebt: Ansprache beim MehrWegGottesdienst am 15.3.2016
In einer kleinen sizilianischen Gemeinde herrschte seit Wochen große Trockenheit. So schickte die Gemeinde eine Abordnung zum Pfarrer. Die sollte ihn bitten, Bittgebete zum Himmel zu senden, um die Ernte zu retten. Der Pfarrer rief: "Oh ihr Ungläubigen! Da macht ihr den langen Weg zur Kirche, damit ich Gott um Regen bitte. Aber keiner von euch hat einen Regenschirm dabei für den Heimweg!"
Mit diesem Witz habe ich vor immerhin 23 Jahren meine allererste Predigt als Theologiestudent begonnen. Und das nicht einfach so, weil's halt ein schöner Gag ist. Sondern aus einem für mich ganz wichtigen Grund: Lachen befreit. Und unsere frohe Botschaft kann ich mit einem mürrischen Gesicht nicht wirklich überzeugend weitergeben.
Ja, ich weiß, im Lauf von zwei Jahrtausenden gab es da so einige, die das anders gesehen haben. Menschen, die dachten, sie tun ihrem Gott etwas Gutes, wenn sie Andersgläubige umbringen. Oder Hexen. Oder was auch immer. Arme verirrte Seelen.
Nein, mit diesem Witz sind wir für mich genau beim Zentrum des christlichen Glaubens. Gott macht uns frei von allem „du musst dieses, du darfst jenes nicht.“ Erst einmal steht da ein: „Du bist frei.“ Um nochmal was von früher zu zitieren: Seit über zehn Jahren habe ich einen Himmelsbürger-Ausweis von einem Gottesdienst damals in meinem Geldbeutel. Da steht drauf: „Muss nichts. Darf alles. Widerruf unmöglich.“
Jetzt kommen natürlich gleich wieder die Bedenkenträger, die sagen: Das ist doch Mist! Natürlich darfst du trotzdem niemanden umbringen oder ihm sonstwie schaden! Und überhaupt, was ist mit den Zehn Geboten?
Klar, jede Freiheit hat Grenzen. Aber es sind Grenzen, die ich mir selber auferlege, aus freien Stücken. Denn wenn ich das wirklich, wirklich ernst nehme, diese Botschaft: „Ich bin von Gott geliebt“, dann hat das Auswirkungen auf mein Leben. Dann versuche ich, diese Liebe weiterzugeben, wo ich kann. Freundlich. Zugewandt. Mit einem Lachen. Und mit einem Witz. Da ist kein Platz für Neid, für Missgunst und sonst etwas. Dafür ist da ganz viel Platz, um für andere da zu sein. Zu helfen. Zu trösten. Zuzuhören. Und gemeinsam nicht nur von einer besseren Welt zu träumen, sondern auch, sie wenigstens in Teilen zu verwirklichen.
„Wie es euch belebt“, haben wir diesen Gottesdienst genannt. Und in der Vorbereitung festgestellt: Lachen, das ist etwas, das wirklich Geist und Körper belebt. Auch darum habe ich den Witz am Anfang erzählt. Weil das Team mich beauftragt hat, heute Witze zu erzählen. Leider weiß ich nicht viele. Vielleicht den noch:
Kommt ein Mann zum Arzt, hat nen Frosch auf dem Kopf. Sagt der Arzt: Was haben Sie denn gemacht? Sagt der Frosch: Ich hab mir irgendwas in den Fuß getreten!
Schön wär's, wenn wir immer nur lachen könnten. Wenn alles im Leben nur wunderbar wäre. Aber wir leben nun mal nicht im Paradies, sondern hier, auf dieser Welt, auf der es auch Krankheit gibt, Tod, Not, Streit, Elend. Ganz schön viel davon sogar. Und ich denke, auch das gehört zu einem wirklich „lebendigen“ Leben dazu: Trauer aushalten, gemeinsam. Gegen unnötiges Leid angehen, ungerechte Strukturen aufbrechen. Eben: Arbeiten für eine bessere Welt. Auf dem Weg dahin werden wir manche Träne vergießen, aber es sind Tränen des Mitgefühls, vielleicht manchmal auch Tränen des Zorns. Tränen jedenfalls, die zeigen: Ich bin ein fühlender, ein mit-fühlender Mensch. Ich lebe! Ich bin lebendig, innerlich und äußerlich!
Was macht mich lebendig? Was macht Sie lebendig?
Ein Schluck Wasser, ein Stück Brot: Das hatten wir gerade in der MehrWegPhase. Einfache Dinge sind es oft, nichts Aufwendiges. Pilgern, Wandern, ein schöner Film, ein gutes Buch, eine interessante, sinnvolle Aufgabe.
Ein Segen. Ein Gebet. Gemeinschaft. Ein Tischgebet. Ein gutes Gespräch. Ein Besuch im Krankenhaus, egal, ob ich jemanden besuche oder besucht werde. Gemeinsame Unternehmungen.
Wie es euch belebt. Nutzt eure Zeit, die euch geschenkt wird! Aber vergesst nicht, was Astrid Lindgren mal gesagt hat: „Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen“
Der berühmte Theologe Karl Barth kommt in den Himmel. Petrus begrüßt ihn freundlich, meint aber: „Also, wir wollen dich hier schon reinlassen, aber vorher müssen wir erstmal prüfen, ob du auch alles verstanden hast, was du da unten so verzapft hast. Mit deiner so umfangreichen Dogmatik, die außer dir kaum einer versteht.“
Er schickt ihn in einen Nebenraum, wo Gott, Jesus und der Heilige Geist schon warten. Die Tür geht zu und Petrus wartet draußen. Eine Stunde vergeht, zwei Stunden, drei Stunden. Petrus wird schon langsam nervös. Sieben Stunden später springt dann endlich die Tür auf, Jesus stürzt heraus, völlig fertig. Petrus fragt ihn: „Na, was ist, warum hat es so lange gedauert, ist er durchgefallen?“ Jesus: „Karl Barth? Nein, der nicht, aber der Heilige Geist!“
(Quelle: http://www.theology.de/skurriles/witze/karlbarthkommtindenhimmel.php )
Wie es euch belebt.
Irgendwann ist dieses Leben hier auf dieser Erde auch vorbei. Für jeden von uns, auch für den großen Theologen Karl Barth. Für manche früher, für andere später. Ich habe als Pfarrer schon kleine Kinder beerdigt und Menschen, die über 100 Jahre alt waren. Was ist dann – was kommt danach? Gibt es etwas danach? Gibt es das: Das Leben nach dem Tod?
Die einen sagen: Nein, da kommt nichts mehr, das ist wissenschaftlich erwiesen. Die anderen sagen: Doch, da wird etwas sein. Nur was?
Die Menschen, die damals mit Jesus unterwegs waren, die haben uns jedenfalls gesagt: Dieser Jesus, der war wirklich tot, wir haben es gesehen, wir haben ihn beerdigt. Und er war plötzlich wieder lebendig. Sie konnten es erst nicht glauben, sie hatten lange Zeit sogar Angst vor diesem seltsamen Geschehen. Aber dann haben sie verstanden: Gott lässt uns nicht allein. Nicht mal im Tod. Er belebt uns neu. Oder wie es im 1. Petrusbrief heißt: Gott wird uns aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
Josef von Arimathäa kommt nach Hause und gesteht seiner Frau:
„Du Schatz, da war heute eine Kreuzigung und der Mann hatte kein Grab und er hat mir so leid getan - und da habe ich ihn einfach in unser Grab gelegt, dass er gut beerdigt ist...“
„Unser neues Familiengrab - sag mal, bist Du verrückt...?“
„Reg Dich doch nicht so auf - ist ja nur übers Wochenende...“
Wie es euch belebt. Gott belebt uns neu. Er wird uns aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
Es ist eine Hoffnung. Vielleicht liege ich mit dieser Hoffnung ja falsch, aber ich glaube, dass Gott stärker ist als alles andere. Darum habe ich auch mit einer überzeugten Atheistin ein Treffen ausgemacht, in mittlerweile nicht mehr ganz hundert Jahren, am 1.9.2110 um 12:30. Wenn wir uns da wirklich wiedersehen sollten, dann will sie ihre Behauptungen über die Nichtexistenz Gottes zurücknehmen. Anschließend wollen wir zusammen Dr. House schauen. Ist nämlich ein Dienstag, dieser 1. September, und damals lief dienstags immer Dr. House im Fernsehen. Und ja, der Termin steht wirklich in meinem Kalender. Ist natürlich auch nicht ganz ernst gemeint – eher mit einem Augenzwinkern. Oder doch?
Wie es euch belebt.
Ja, ich glaube, Gott belebt uns. Er macht uns lebendig. Dann, wenn wir mitten im Leben tot sind, am Ende, traurig, vielleicht depressiv. Aber auch dann, wenn unser ganzes Leben am Ende ist. Gott wird uns aufrichten, stärken, kräftigen, gründen
Was belebt uns? Etwas Schönes zu tun. Etwas Verrücktes. Darum habe ich mir gedacht: Singen wir nochmal das Lied „Cha Cha Cha im Regen“, von dem ich nie gedacht hätte, dass wir es mal in einem Gottesdienst singen würden – und heute schon zum zweiten Mal. Denn es handelt auch davon, etwas Belebendes zu tun. Etwas Verrücktes. Etwas Ungewöhnliches. Und davon, es gemeinsam zu tun.
Aber vorher erzähle ich noch einen Witz. In dem kommt leider ein nicht so schönes Wort vor. Ich kürze es lieber ein wenig ab. Also:
Ein Mönch und eine Nonne spielen Tischtennis. Der Mönch ist leider nicht besonders treffsicher. Und jedes Mal, wenn er daneben haut, ruft er laut: „Sch…, schon wieder daneben!“
Die Nonne regt sich fürchterlich auf, der Mönch verspricht Besserung, doch beim nächsten Schlag entfährt es dem Mönch wieder: „Sch…, schon wieder daneben!“
Da ruft die Nonne verärgert: „Wenn du noch einmal dieses Wort benutzt, soll dich auf der Stelle der Blitz treffen!“
Der Mönch ist ganz zerknirscht, sie spielen weiter, doch schon kurz darauf: „Sch…, schon wieder daneben!“
Da kommt tatsächlich eine dunkle Wolke, es donnert, ein Blitz fährt herab – und trifft die Nonne.
Kommt von oben eine Stimme: „Sch…, schon wieder daneben!“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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