Predigt: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ansprache im MehrWegGottesdienst am 20.9.2015: "Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Sagte Eva und nahm den Apfel.
Reichte ihn weiter an Adam.
Und so nahm das Unglück seinen Lauf.
Ach, wenn's doch nur ein einfacher Apfel gewesen wäre!
Stattdessen hatten sie auf einmal
Erkenntnis
Scham
Verantwortung
Ein Leben voller Mühe und Plagen.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Hätte Eva es wieder getan, nach all diesen Erfahrungen?
Eva, so frage ich sie, was würdest du heute tun?
„Den Apfel pflücken“, antwortet sie mir.
„Trotz allem?“
„Ja, trotz allem. Denn die Erkenntnis ist das, was uns zu Menschen macht. Auch das Leid. Auch die Arbeit. Aber auch die Freude, etwas erreicht zu haben.“
Ich zögere.
Den Apfel nehmen?
Unsere Vorfahren sahen die Erbsünde darin.
Das Abwenden von Gott.
Und nun?
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“ meint Eva schnippisch.
„Du willst doch gar nicht zurück ins Paradies.
Immer nur Friede, Freude, Eierkuchen, das ist nichts für dich.
Du willst hart arbeiten, willst gestalten, willst etwas voranbringen.
Du willst sie spüren, die Erkenntnis des Guten und des Bösen.“
Und dann blicke ich zurück auf die Geschichte unserer Menschheit. Sehe Kriege, Elend, Milliarden Tote. Sehe die Toten unserer Tage. Die Millionen auf der Flucht. Die Verhungernden, die wir vor lauter Syrien fast vergessen haben. Und denke mir: „Ach Eva! Hättest du's verhindern können? Wäre das Paradies nicht doch besser gewesen für uns?“
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Millionen brechen auf, die nichts mehr hält in ihrer zerstörten Heimat. Millionen brechen auf, die nichts mehr haben, nicht mal mehr einen Apfel. Sie haben das Böse erkannt in ihrem Land und meinen, das Gute zu finden – bei uns. In ihren Nachbarländern. Wo auch immer, Hauptsache weg, weg von den Bomben, dem Terror, der Zerstörung, dem Tod.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Tausende, Zehntausende hier in Deutschland erkennen das Gute. Helfen. Spenden. Verteilen Äpfel und viel mehr als das. Ein Lächeln, eine freundliche Geste, ein Willkommen.
Wenn nicht jetzt, wann dann? Jetzt ist die Zeit, etwas zu tun. Jetzt ist die Zeit, diese Welt zum Frieden zu verändern. Jetzt ist die Zeit, das Gute zu erkennen und zu tun.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Nicht immer ist die Frage so groß, dass sie das ganze Leben verändert. Oder vielleicht doch?
Wenn ich mich was Neues traue.
Wenn ich was Altes neu mache.
Wenn ich meinen Partner umarme, meine Kinder herze, meine Eltern besuche. Kann es was Wichtigeres und Besseres geben?
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Nicht immer haben wir die Konsequenzen im Blick.
Evas Geschichte ist nur symbolisch und gerade deshalb so wahr:
Als Eva den Apfel nahm,
da veränderte sie alles.
Die ganze Welt.
Sie wusste nichts von Not, Kriegen, Hunger und Flüchtlingen.
Sie wusste wohl auch nichts von Erfolgen, von höchster Anstrengung, von dem erhebenden Gefühl, etwas erreicht zu haben.
Sie wusste nicht, was uns Menschen vom Tier unterscheidet, denn das ist es: Die Erkenntnis des Guten und des Bösen.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Was können wir verändern?
Die ganze Welt?
Jesus sagt, wir könnten Berge versetzen, wenn wir nur ein bisschen Glauben hätten.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Arbeiten für den Frieden.
Für Versöhnung.
Für das Gute.
Ganz egal, ob im Kleinen oder im Großen.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Mich freuen am Leben.
Kerzen anzünden.
Menschen umarmen.
Tanzen im Regen.
Freude und Liebe verteilen.
Daran sollt ihr uns erkennen, Welt.
Uns, die wir an Jesus Christus glauben.
Denn in ihm haben wir das Gute erkannt.
Den, der dem Apfel das Böse nahm
und uns weiter Mensch sein ließ.
Amen.