Ansprache beim MehrWegGottesdienst: Einmischen, mitmischen, aufmischen!

„Ich kann ja doch nichts ändern!“ – so höre ich oft. In den verschiedensten Zusammenhängen. Ich kann nichts ändern an meiner Situation. Ich kann nichts daran ändern, dass Krieg herrscht. Ich kann nichts daran ändern, dass wir immer mehr auf eine Klimakatastrophe zusteuern. Und in der Kirche kann ich auch nichts ändern. Die Austritte werden mehr, die Kirchen werden leerer, die schrecklichen Enthüllungen über Missbrauchsfälle und darüber, wie diese mancherorts vertuscht wurden haben dem Ganzen nur noch einen letzten Schubs gegeben.

Ich kann ja doch nichts ändern. Alles scheint so dunkel zu sein. Ein bisschen Licht wäre gut.

Ehrlich: Ich kann das verstehen. Manchmal geht’s mir auch so. Und manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken: Vielleicht haben wir’s als Menschheit gar nicht anders verdient, als dass wir demnächst aussterben. Alles scheint so dunkel zu sein. Ein bisschen Licht wäre gut.

Ganz schön pessimistisch, oder?

Dabei haben wir heute so viele Lieder gesungen davon, wie Dinge sich ändern. Vom Stein, der ins Wasser fällt und weite Kreise zieht. Von Menschen, die neu beginnen, ganz neu, und da berühren sich Himmel und Erde. 

Wir haben gehört von dem einen, der die Welt so sehr verändert hat, dass wir heute noch von ihm erzählen, zwei Jahrtausende später. Hat er denn was bewirkt? Oder hat er nur neue Konflikte entzündet, dieser Jesus? Auch die Geschichte der Kirche, seiner Kirche, ist ja gepflastert von Leid, von Kreuzzügen, von Kriegen in seinem Namen, von Unterdrückung und Machtmissbrauch. Alles scheint so dunkel zu sein. Ein bisschen Licht wäre gut.

Wenn es da nicht diese andere Seite gäbe.

Die Menschen, die das Gute sehen.

Die Menschen, die das Gute tun.

Die Menschen, die einfach mal ein Lächeln in die Welt setzen.

Die anderen die Hand reichen.

Die den Mund aufmachen für eine gute Sache.

Die Licht bringen ins Dunkel. Und Liebe.

Die, die Farben sammeln für den Winter – und sie dann wieder herschenken.

„Ich kann ja doch nichts tun“ – vielleicht ist das ja auch nur ein Ausdruck der Bequemlichkeit?

Sei ganz ehrlich zu dir: Bedeutet es nicht manchmal eher „ich will nichts tun“? Weil das ja anstrengend ist. Vielleicht sogar gefährlich. 

Weil es auf jeden Fall Dinge verändert, vielleicht sogar dich selbst verändert.

Wenn du anfängst, dich einzumischen. Denn das bedeutet ja auch: Mit anderen in Berührung zu kommen, die Dinge vielleicht anders sehen. Und es ist nicht immer leicht, das auszuhalten, mitzumischen, mitzumachen.

Ich kann ja doch nichts machen? Doch, kannst du!

Wer hätte beispielsweise noch dran geglaubt, dass das mit dem St. Josephs-Krankenhaus nochmal was wird? Ganz ehrlich: Ich nicht. Für mich war das praktisch schon Geschichte. Und jetzt sieht alles wieder ganz anders aus.

Oder die Nachbarschaftshilfe in meinem Heimatort Gochsheim, aber das gibt es auch anderswo. Entstanden in der Corona-Zeit, aber die Menschen sind immer noch für einander da, wenn jemand in Not ist. Und demnächst gibt’s so was ähnliches wie eine Mini-Vesperkirche unter dem Titel „Gochsheim isst gemeinsam“. 

Woanders treffen sich die Leute, um gemeinsam in der Flur Müll zu sammeln.

Und und und.

Ich kann ja doch nichts machen?

Doch, das kannst du. Du musst ja nicht gleich wie Jesus die Welt so sehr verändern, dass man noch in 2000 Jahren von dir erzählt. 

Aber du kannst aus der Bequemlichkeit rausgehen. Du kannst hinschauen und den Mund aufmachen, wenn dir etwas missfällt. 

Denn du bist Gottes geliebtes Kind. Du bist wichtig. Du kannst etwas bewegen. Du hast Begabungen und Talente, die du für andere einsetzen kannst.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die etwas verändern, weil wir sie stetig tun. Ich habe eine Erzählung in Erinnerung, aber ich konnte sie nicht mehr finden, vielleicht bringe ich da auch was durcheinander. Aber sie ging ungefähr so, dass ein Straßenbahnfahrer immer an der Endhaltestelle ein paar Minuten Aufenthalt hatte. Und diese paar Minuten hat er genutzt, um – ich weiß nicht mehr genau, Blumen zu säen, Bäume zu pflanzen oder irgendwas. Und das tat er über Jahre, ja Jahrzehnte. Jeden Tag ein paar Minuten. Und irgendwann war dieser Ort wunderschön geworden.

Du kannst etwas bewegen. Du bist etwas wert.

Was sind deine Talente? Kannst du gut reden und dich für andere einsetzen? Kannst du gut organisieren? Kannst du gut zuhören? Kannst du gut sehen, wo andere gerade Hilfe brauchen? Oder was ist es, das du besonders gut kannst?

Es muss nicht viel sein, was du tust.

Aber wenn wir alle gemeinsam uns bemühen, diese Welt ein kleines bisschen besser und heller zu machen – ich glaube, dann ist schon viel geschafft.

Deshalb: Misch dich ein. Misch mit. Und misch die Welt und unsere Kirche ein bisschen auf.

Jesus sagt einmal in der Bergpredigt: (Mt 5, 14-16)

Ihr seid das Licht der Welt:
Eine Stadt, die auf einem Berg liegt,
kann nicht verborgen bleiben!
Es zündet ja auch niemand eine Öllampe an
und stellt sie dann unter einen Tontopf.
Im Gegenteil: Man stellt sie auf den Lampenständer,
damit sie allen im Haus Licht gibt.
So soll euer Licht vor den Menschen leuchten.
Sie sollen eure guten Taten sehen
und euren Vater im Himmel preisen.«

Also – sei Licht für die Welt. Verkriech dich nicht in der Ecke oder unter dem Tontopf. Lass deine guten Taten leuchten. Gemeinsam mit anderen.

Gemeinsam können wir Licht sein für diese dunkle Welt.

Gemeinsam können wir Hoffnung bringen.

Wenn wir uns einmischen.

Wenn wir mitmischen.

Wenn wir diese Welt mit unserem Licht aufmischen.

Also los – fangen wir an!