Vesperkirche: ein Übungsraum für die Liebe
Wort in der Mitte bei der Vesperkirche am 26.1.2024
Mit Goldener Hochzeit von Karin und Winfried Hümpfer
Liebe Gäste, liebe Gastgeberinnen und Gastgeber der Vesperkirche!
Bei uns Kirchen hat jedes Jahr sozusagen eine Überschrift aus der Bibel, die sogenannte Jahreslosung. Für 2024 ist das ein kurzer Satz aus dem ersten Korintherbrief: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Letzten Sonntag bei der Eröffnung der Vesperkirche hat die Regionalbischöfin genau über diesen Satz gepredigt: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Und sie hat gesagt: Die Vesperkirche, das ist sozusagen ein Übungsraum für die Liebe. Hier können wir probieren, wie das ist, uns anderen liebevoll und respektvoll zuzuwenden. Gelingt nicht immer, das ist klar. Manche sind sauer, weil sie hungrig sind und trotzdem über eine halbe Stunde warten müssen. Manche tun sich schwer, mit den anderen Gästen am Tisch ein Gespräch anzufangen. Und natürlich gibt’s auch bei uns zwischendurch mal Reibereien und Dinge, die trotz aller Organisation nicht so gut klappen. Aber wir versuchen’s. Wir üben.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Heute sind hier zwei Menschen, die das schon sehr lange gemeinsam üben. Heute vor genau 50 Jahren waren sie schon mal hier, in dieser Kirche. Da haben sie einander versprochen, sich zu lieben, bis der Tod sie scheidet. Ja, mit Gottes Hilfe. Nachher komme ich nochmal zu den beiden und segne sie. Ich weiß nicht genau, wo sie sind, und bitte sie mal aufzustehen: Karin und Winfried Hümpfer. Herzlichen Glückwunsch zur Goldenen Hochzeit!
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Das haben Sie in fünfzig Jahren Ehe geübt. Das üben wir hier in der Vesperkirche. Das versuchen wir auch, als Kirche in die Gesellschaft zu tragen. Zum Beispiel, indem morgen Mittag viele von uns dabei sind bei der Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit, Hass und Ausgrenzung.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Das kann auch gewaltig schiefgehen. Auch in unserer Kirche haben wir viel Schuld auf uns geladen. Da haben über Jahrzehnte Menschen Macht mit Liebe verwechselt und Liebe mit Vertuschen und Schweigen. Gestern wurde die Missbrauchs-Studie veröffentlicht. Was da drin steht, kann uns nur beschämen und entsetzen, auch mich.
Wir können nur versuchen, es besser zu machen. Wir können nur versuchen, aufmerksamer zu werden füreinander. Wir können nur versuchen, das mit der Liebe weiter zu üben. Liebe als aufmerksame Zuwendung. Liebe, die den anderen Menschen achtet, so wie er oder sie ist. Liebe, die die Bedürfnisse des oder der anderen sieht und darauf eingeht, sei es Hunger oder eine seelische Not.
Das üben wir hier in der Vesperkirche. Sie ist ein Übungsraum für die Liebe.
Ich wünsche Ihnen trotz aller ernster Themen, die ich heute anschneiden musste, eine fröhliche Vesperkirche, die Ihrem Leib und Ihrer Seele gut tut. Ich wünsche Ihnen fröhliche, liebevolle Begegnungen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute das mit der Liebe üben können.
Eine fröhliche, liebevolle Vesperkirche!
Amen.