Predigt: Arbeiten am Paradies

Wie oft wohl in diesen 50 Jahren bei den vielen, vielen Andachten am Wegkreuz und anderswo schon diese eine Stelle aus der Schöpfungsgeschichte vorkam? Die Stelle, an der Gott dem Menschen auftrug, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Schöpfungsgeschichte – für mich ist das ja kein wörtlicher Bericht, sondern eine Erzählung, die in sehr verdichteter Form von vielen Urerfahrungen berichten, die wir Menschen in unserem Leben machen. Heute, an diesem besonderen Tag, darf das „bebauen und bewahren“ nicht fehlen – aber ich möchte weiterlesen, eine Geschichte, die euch und Ihnen sicher bekannt ist. Zwischendurch überspringe ich ein paar Stücke, damit es nicht zu lang wird.

Aus 1. Mose, Kapitel 2 und 3.
Text: 15 Gott der HERR nahm den Menschen
und brachte ihn in den Garten Eden.
Er sollte ihn bebauen und bewahren.
16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen:
»Von jedem Baum im Garten darfst du essen.
17 Aber vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse
darfst du nicht essen.
Sobald du davon isst, wirst du sterben.«
1 Die Schlange war schlauer
als alle anderen Tiere des Feldes,
die Gott der HERR gemacht hatte.
Sie sagte zu der Frau:
»Hat Gott wirklich gesagt,
dass ihr von keinem der Bäume im Garten essen dürft?«
2 Die Frau erwiderte der Schlange:
»Von den Früchten der Bäume im Garten
dürfen wir essen.
3 Nur die Früchte von dem Baum,
der in der Mitte des Gartens steht,
hat Gott uns verboten.
Er hat gesagt:
›Esst nicht davon,
berührt sie nicht einmal,
sonst müsst ihr sterben!‹«
4 Die Schlange entgegnete der Frau:
»Ihr werdet ganz bestimmt nicht sterben.
5 Denn Gott weiß:
Sobald ihr davon esst,
gehen euch die Augen auf.
Ihr werdet wie Gott sein
und wissen, was Gut und Böse ist.«
6 Da sah die Frau, dass dieser Baum zum Essen einlud.
Er war eine Augenweide und verlockend,
weil er Klugheit versprach.
Sie nahm eine Frucht und biss hinein.
Dann gab sie ihrem Mann davon, und auch er aß.
7 Da gingen den beiden die Augen auf,
und sie erkannten, dass sie nackt waren.
Sie banden Feigenblätter zusammen
und machten sich Lendenschurze.
8 Als am Abend ein kühler Wind blies,
ging Gott der HERR im Garten umher.
Der Mann und seine Frau hörten ihn kommen.
Da versteckten sie sich vor Gott dem HERRN
zwischen den Bäumen im Garten.
9 Gott der HERR rief den Menschen
und fragte: »Wo bist du?«
10 Der Mensch antwortete:
»Ich habe dich im Garten gehört und Angst bekommen.
Ich habe mich versteckt, weil ich nackt bin.«
11 Gott fragte:
»Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?
Hast du von dem verbotenen Baum gegessen?«
12 Der Mensch entgegnete:
»Die Frau, die du mir zur Seite gestellt hast,
hat mir davon gegeben, und ich habe gegessen.«
13 Da fragte Gott der HERR die Frau:
»Was hast du getan?«
Die Frau erwiderte:
»Die Schlange hat mich dazu verführt,
und ich habe gegessen.«

Was hast du getan?

So donnert Gottes Stimme durchs Paradies.

Was hast du getan, Mensch?

Ich fürchte, diese Frage wird auch uns eines Tages gestellt werden.

Was hast du getan, Mensch?

Was hast du aus dieser Erde gemacht?

Von Bewahren keine Spur.

Deine eigene Existenz gefährdest du, du weißt es und machst doch weiter, wie ein Süchtiger, der nicht loskommt von seiner Droge.

Was hast du getan, Mensch?

Nicht nur die Erde in der Gegenwart zerstörst du. Klimawandel, Artensterben, Plastik in den Weltmeeren und und und.

Was hast du getan, Mensch?

Du beschwörst Gefahren herauf, die auf Hunderttausende von Jahren bestehen werden. Du meinst, du wirst schon irgendwie was finden, um diesen Atommüll sicher zu lagern – und hast doch nach so vielen Jahrzehnten immer noch keinen wirklichen Plan. Du meinst in deinem Hochmut, du könntest die Naturgewalten beherrschen – und doch gab es Tschernobyl und Fukushima, standen vor wenigen Wochen wieder russische Truppen vor den Ruinen von Tschernobyl und beschossen Gebäude dort. Von den vielen kleinen und großen Unfällen auf der ganzen Welt ganz zu schweigen.

Was hast du getan, Mensch?

Und dann wird das Gejammere losgehen, die Schuld wird weitergeschoben werden: „Die Frau war’s!“ „Die Schlange war’s“! „Die Investoren warn’s!“ „Die Politiker von der anderen Partei waren’s!“

Gott ist das egal. Er straft sie alle. Mann, Frau und die Schlange. Und doch mildert er seine Strafe ab. Hatte er zuerst gesagt, sie müssten sterben, wenn sie von dem Baum essen, macht er ihnen nun noch erste Kleider und vertreibt sie lediglich aus dem Paradies. Zeigt ihnen, wie sie leben können, wenn auch beschwerlich.

Wir haben von der Frucht gegessen. Dahinter kommen wir nicht mehr zurück. Das unterscheidet uns vom Tier: Wir wissen was gut ist, wir wissen, was böse ist. Das hindert uns daran, einfach fröhlich und sorglos vor uns hin zu leben.

Wir selbst vertreiben uns sozusagen, denn wir unterscheiden Gutes und Böses. Und wir unterscheiden es nicht auf die gleiche Weise. Was für den einen gut scheint, empfindet die andere als Bedrohung. Was die einen als günstige Lösung für CO2-arme Energiegewinnung ansehen, ist für die anderen, für uns hier, die unverantwortlichste und gefährlichste Technik der Welt. Wahrlich, wir leben nicht mehr im Paradies. Wir haben so viele Erkenntnisse, wir können so vieles umsetzen, aber der Streit um Gut und Böse, die Last, das Böse manchmal nicht verhindern zu können – alles das bestimmt nun unser Leben. Wir leben nicht im Paradies. Wir haben’s versaut.

Dabei sehnen wir uns doch alle danach zurück, nach diesem Garten Eden. Nach einem friedvollen Land, in dem das Leben leicht und fröhlich ist. Nach Versöhnung mit allen Menschen, mit der ganzen Natur, mit Gott. Wie schön wäre das!

Aber da sind wir nicht. Mensch, was hast du getan?

Was uns bleibt, ist der Streit. Der Streit und das Engagement für das, was wir als richtig erkannt haben. Der Einsatz für alles, was uns auf dieser Erde dem Paradies wieder etwas näher bringt. Der Widerstand gegen alles, was dieses Ziel gefährdet.

Manchmal mag ich fast verzweifeln, die Hände in den Schoß legen und aufgeben. Wir schaffen das ja doch nicht. Die Aufgabe ist einfach zu groß für uns. Die Erde schon zu sehr aufgeheizt, schon zu viel Atommüll produziert, zu viele Gegenden der Welt verstrahlt, zu viele Arten ausgestorben, weil wir ihnen keinen Lebensraum ließen.

Und dann denke ich an diese Geschichte. Und daran, wie Gott die Strafe für Adam und Eva abmilderte. Sie mussten nicht sterben, im Gegenteil: Er hat ihnen noch Kleider geschenkt. Und in all den Jahrtausenden, in denen es so oft danach aussah, als hätte das Böse endgültig gesiegt, hat er sein Volk doch nie verlassen.

Wir leben nicht im Paradies, klar. Wir werden es auch nie schaffen, diese Erde komplett dazu zu machen. Aber wir können uns mutig allen entgegenstellen, die sie zur Hölle machen wollen. Ich glaube: Da ist Gott dabei. Er lässt uns nicht im Stich. Darauf hoffe ich. Darauf vertraue ich, ganz fest. Lasst uns daran arbeiten. Am Paradies auf Erden.

Amen.