Predigt am 1. Advent: Still werden
Predigt am 1. Sonntag im Advent 2012
Niederwerrn, 2.12.2012
Text: Lk 1, 67-79
Liebe Gemeinde!
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging“ - diese Geschichte kennen wir und sicher freuen sich schon viele von uns darauf, diese Worte am Heiligen Abend wieder zu hören. Aber das, was davor alles passierte, das gerät manchmal ein wenig in Vergessenheit. Vielleicht erinnern Sie sich noch an Zacharias? Ein alter Mann war er, Priester am Tempel, und auch seine Frau war nicht mehr die allerjüngste.
„Hochbetagt war er“, so steht es im Lukasevangelium. Keine Kinder hatten sie bekommen, obwohl sie sicher gerne welche gehabt hätten. Denn Kinder – das war für gläubige Juden mehr als nur halt was Schönes, so eine Familie. Kinder – das war ein Zeichen des Segens Gottes, und es war auch die Gewissheit: In meinen Kindern wird ein Teil von mir selber weiterleben. Aber – Zacharias und seine Frau hatten keine, und jetzt waren sie schon lange zu alt dafür. Und dann kommt, wie damals bei Abraham, ein Engel zu ihm und sagt: Du sollst noch ein Kind bekommen!
Klar, dass Zacharias das zuerst nicht glauben konnte. Darum gab der Engel ihm ein Zeichen: Er würde stumm bleiben bis zum Tag der Geburt seines Sohnes. Früher dachte ich immer, das ist ja wirklich eine schwere Strafe für einen Moment der Ungläubigkeit. Aber ich bin mir gar nicht so sicher, dass es wirklich als Strafe gemeint war. Vielleicht war es sogar ein ganz besonderer Segen?
Stellen Sie sich das vor. Was für eine Zeit der Vorbereitung. Ein ganz besonderer Advent. Monate des Schweigens, der Einkehr, der Ruhe. Bis sein Sohn da ist. Und dann bricht es aus ihm heraus. Fast ohne Punkt und Komma. Nein, ehrlich gesagt: Ziemlich viele Kommas, aber ganz wenige Punkte. Unser ganzer Predigttext besteht nur aus vier Sätzen. Davon zwei ganz kurze und zwei absolute Schachtelsätze. Hören Sie das sogenannte Benedictus. Den Lobpreis des Zacharias, als sein Sohn, Johannes der Täufer, geboren wurde. Die ersten Worte des dankbaren Vaters über dieses große, ganz erstaunliche Wunder:
Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: 68 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk 69 und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David 70 - wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten -, 71 dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, 72 und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund 73 und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, 74 dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, 75 ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. 76 Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest, 77 und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, 78 durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, 79 damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Puh. Das sind Sätze. Na ja, Zacharias hatte etwa neun Monate Zeit, sie sich zu überlegen, das merkt man wohl. Die zentralen Aussagen stecken aber schon in den beiden ganz kurzen Sätzen drin: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen.
Das bringt es auf den Punkt: Lobt Gott für seine Taten! Hier sehen wir Gott am Werk. In diesem kleinen Kind. Denn ich, Zacharias, weiß: Aus diesem Kind wird etwas Besonderes werden. Es wird ein Prophet des Höchsten sein. Dieses kleine Kind wird dem Retter der Welt vorangehen.
Was für ein Moment in der Geschichte dieses Menschen. Er, der monatelang nicht sprechen konnte, aus dessen Mund kommt auf einmal dieser Lobgesang. Er, der schon alt ist, ohne Kinder, erfährt die Erfüllung eines Traumes, den er sicher schon lange aufgegeben hatte. Und nun soll dieses Kind, dieses winzige Etwas in seinen Armen, auch noch ein ganz Besonderes sein. Ein Wunder schon für jeden normalen Menschen, wenn er ein neugeborenes Kind in den Armen hält. Ein ganz besonderes Wunder, wenn einem diese Gnade im hohen Alter noch zuteil wird. Und noch ein größeres Wunder, dass dieses Kind eine besondere Aufgabe von Gott bekommt: Hinzuweisen auf den, der noch die Steigerung all dieser Wunder sein wird. „Und du, Kind, wirst ein Prophet des Höchsten heißen“.
Ich könnte Ihnen jetzt sicher noch stundenlang einzelne Halbverse aus dem Lobgesang des Zacharias auslegen. Darüber sinnieren, was die „Macht des Heils“ sein soll und solche Dinge. Aber ich glaube, das bringt uns nicht viel weiter als an diesen Punkt: Dass wir erkennen, wie groß dieses Wunder ist: Gott kommt auf die Erde.
Darum möchte ich unseren Blick nochmal auf Zacharias selbst lenken. Denn ich glaube, er kann uns ein großes Vorbild sein. In dem, was er durchgemacht hat. Lange Monate des absoluten Schweigens liegen nun hinter ihm. Als Jugendlicher habe ich das mal eine Woche lang getan, in Taizé, das vielleicht einige von Ihnen kennen. Im Gegensatz zu Zacharias war es bei mir aber freiwillig. Aber auch ich habe mir sehr genau überlegt, was die ersten Worte sein werden, die wieder aus meinem Mund kommen. Ich bin damals am frühen Ostersonntagmorgen in die nahe Kirche gegangen, habe einen ruhigen Moment abgewartet, in dem niemand in der Kirche war, und habe, ganz für mich, den Oster-Introitus gesungen. Ein erhebendes Gefühl, auf einmal seine Stimme wieder gebrauchen zu können, nach einer Zeit des Verzichts.
Verzicht. Vorbereitung. Große Freude am Ende. Das ist das, was Zacharias uns zeigen kann. Advent, das ist ursprüngliche eine ernste, stille Zeit. Eine Fastenzeit. Wir wissen um all das, was unser Leben beeinflusst. Wir wissen um die Kriege, die kleinlichen Streitereien, um unsere eigene Bösartigkeit und die von manchen Mitmenschen.
Einfach mal – schweigen. Ruhe bewahren. Zur Ruhe kommen. Sich nicht komplett von diesem Adventsrummel einwickeln lassen, so schön er oft ja auch ist. Sich vorbereiten auf das, was kommt. Auf den, der kommt.
Ein ernstes Lied habe ich herausgesucht heute, das uns durch diesen Gottesdienst begleitet. Denn ich glaube, es tut uns gut, auch mal diese ernste Seite zu sehen. Advent, Weihnachten, das ist nicht nur Friede Freude Eierkuchen. Das ist auch Wahrnehmen, Ernst nehmen von Leid und Ungerechtigkeit. Das ist jetzt schon der Blick über die Krippe hinaus auf das Ende am Kreuz, das dann doch wieder ein neuer Anfang sein wird. Advent, Weihnachten: Das ist aber auch die Hoffnung darauf, dass es eines Tages besser sein wird. Doch noch sind wir nicht da:
Und wer dies Kind mit Freuden
umfangen, küssen will,
muß vorher mit ihm leiden
groß Pein und Marter viel,
6. danach mit ihm auch sterben
und geistlich auferstehn,
das ewig Leben erben,
wie an ihm ist geschehn.
Gott sei bei uns und begleite uns auf unserem Weg – zu ihm.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.