behindert parken, leben und glauben
Diese Woche habe ich den wohl sinnlosesten Behindertenparkplatz der Welt gesehen: Aufgebockt auf einer Palette. Nein, also hier kann wirklich keiner parken, ob behindert oder nicht. Höchstens mit einem fliegenden Auto.
Natürlich ist des Rätsels Lösung ganz einfach: Der Einkaufsmarkt, vor dem dieser Parkplatz eingerichtet war, wird gerade vergrößert. Die Arbeiter haben die schon markierten Steine nur eben zwischengelagert und werden sie sicher wieder verwenden, wenn die Parkplätze neu gemacht werden. Aber im Augenblick sieht es wirklich seltsam aus. Ein Behindertenparkplatz mit Behinderungen. Völlig sinnlos.
Das gibt es ganz schön oft, dass Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Dass wir uns schon längst ein Urteil gebildet haben. Ich denke an den Werbespot der Caritas für „benachteiligte Jugendliche“. Ein älterer Herr liest Zeitung in der S-Bahn. Ein Jugendlicher mit Kapuzenpulli starrt ihn an, die Atmosphäre wirkt bedrohlich, bis der Herr ihn fragt: „Was willst du denn von mir?“ - „Wenn Sie so fragen – den Wirtschaftsteil“. (hier anschauen: http://www.youtube.com/watch?v=yndMbtIy5s8 )
Dinge sind oft nicht so, wie sie scheinen. Der, der poltert und droht, ist manchmal in Wirklichkeit nur voller Angst. Der, der ganz ruhig bleibt, ist voller Mut. Das vermeintlich billige Schnäppchen zieht riesige Folgekosten nach sich. Die ach so gute Freundin ist, wie sich später herausstellt, doch nur auf ihren Vorteil bedacht. Unser vor kurzem noch so hochgejubeltes Wirtschaftssystem stürzt in sich zusammen. Ein Arbeitsplatz, der sicher schien, ist es auf einmal nicht mehr.
Worauf ist eigentlich noch Verlass? Eine einfache Antwort wäre jetzt, zu sagen: „Gott natürlich“. Klar, dafür bin ich ja Pfarrer. Aber das geht mir zu schnell. Denn: Auch unser Gottesbild bekommt immer wieder Knackser. Wir erleben Dinge, die einfach nicht dazu passen. Wie kann Gott zulassen, dass ich Krebs habe? Wie kann Gott dem Hunger in der Welt einfach zusehen? Bestraft Gott mich für etwas, was ich getan habe? Kann es überhaupt einen Gott geben, wenn sein „Bodenpersonal“ sich manchmal völlig daneben benimmt? Was ist an unserer Bibel denn „wahr“, wenn ich lese, dass beispielsweise die Schöpfungsgeschichte nur eine Erzählung ist, die etwas über Gott, aber nicht über die tatsächliche Entstehung der Welt ausdrücken will? Ist überhaupt auf irgend etwas Verlass?
Es gehört tatsächlich Mut dazu, an Gott zu glauben. Daran zu glauben, dass es da ein höheres Wesen gibt, das unseren Weg begleitet. Einer, der nicht alle Not von uns wegnimmt, sondern der stattdessen auch die schweren Wege mit uns geht. So, wie Jesus auch nicht das Kreuz und den Tod einfach weggepustet hat, sondern diesen Weg bis zum Ende gegangen ist. Das ist das Außergewöhnlichste am christlichen Glauben im Vergleich zu allen anderen Religionen: Unser Gott hats selber erlebt, was es heißt, Mensch zu sein. Was es heißt, zu lieben, zu lachen, aber auch verlassen zu werden, verhöhnt zu werden, unerträgliche Schmerzen zu haben. Unser Gott weiß, wie sich das anfühlt, wenn man denkt, Gott sei nicht da: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Unser Gott weiß, was es heißt, dem Tod ins Angesicht zu schauen und zu sterben.
Ich weiß nicht, ob ich Recht habe mit meinem Glauben, oder vielleicht eine der anderen Religionen, oder ob es vielleicht gar keinen Gott gibt. Aber von allen Religionen, die ich kennen gelernt habe, ist mir dieser nahe Gott, der unser Leben mit all seinen Höhen und Tiefen kennt, eindeutig die nächste. Ich gehe dieses Risiko ein, falsch zu liegen. Ich glaube daran. Ich verlasse mich darauf.
Jesus Christus spricht: „Siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“.