Predigt: Lebt in der Liebe!
Predigt am 21. Sonntag nach Trinitatis
Schweinfurt-Christuskirche/Dittelbrunn, 20.10.2013
Text: Joh 15, 9-12
Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. 11 Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. 12 Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.
Liebe Gemeinde!
Horst "Hotte" Kriegel aus Hamburg ist ein Typ, mit dem ich normalerweise wahrscheinlich nicht so gern Kontakt hätte. Vor dem hätte ich ziemlichen Respekt. Riesige Gestalt, Türsteher, Security-Mann. Er hat in seinem Leben schon ganz verschiedene Jobs gemacht und dabei ganz gut Geld verdient.
Für seinen neuen „Job“ seit Sommer bekommt Hotte kein Geld. Und trotzdem sagt er: „Ich habe in meinem Leben nie etwas Sinnvolleres gemacht.“
Jede Nacht seit vier Monaten bewacht er nämlich die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg, die dort in der St. Pauli-Kirche schlafen. Er sorgt dafür, dass sie sicher sind und nicht gestört werden. Kümmert sich manchmal auch tagsüber um sie, schlichtet Streit, vertreibt Neugierige. „Seine“ Flüchtlinge sollen hier sicher wohnen, so sicher wie es eben geht. Er sagt, er schämt sich für Hamburg, dafür, wie diese Menschen hier behandelt werden. Eine Wohnung, einen Deutschkurs und etwas Liebe – mehr bräuchten diese Menschen nicht zum Leben. Und er trägt dazu bei, was er eben kann.
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe, sagt Jesus.
Nochmal Flüchtlinge. Am 1. Juli 1998 strandet ein Boot mit etwa 200 Flüchtlingen am Strand von Riace, einem kleinen Dorf in Italien, das wahrlich auf dem absteigenden Ast war. Immer mehr Menschen zogen weg, Häuser standen leer, die Schule sollte geschlossen werden. Und dann trafen da auf einmal Menschen ohne Haus auf Häuser ohne Menschen. Das Dorf nahm sie auf, Häuser wurden renoviert, neue Projekte in Angriff genommen, die Schule wiederbelebt. Die wenigsten blieben da, aber bis heute ist Riace ein Ort, der Flüchtlinge willkommen heißt, ihnen eine erste Heimat bietet, von wo aus sie sich neu orientieren können. Die Gemeinde bekommt 22 Euro pro Tag und pro Kopf vom Staat, um die Flüchtlinge zu versorgen. „Das ist ein Bruchteil dessen, was es kostet, sie in einem Auffanglager einzusperen“, sagt der Bürgermeister.
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe, sagt Jesus.
Zwei Geschichten um Flüchtlinge, die ich in den letzten Tagen gelesen habe und die mich bewegt haben. Und natürlich die Frage, die gerade in dieser Gemeinde sicher diskutiert werden wird: Wie wird das in Hambach gelingen, wenn dort Asylbewerber einziehen? Vor allem, wenn es möglicherweise Menschen sind, die eben nicht arbeiten dürfen, die den ganzen Tag nur rumsitzen müssen, acht Leute in einem Zimmer? Geht es, sie irgendwie ins Dorfleben zu integrieren? Können wir ihnen Sicherheit bieten, ein bisschen neue Heimat, einen Ort des Durchschnaufens? Kann Hambach ein bisschen wie Riace werden? Wollen wir das überhaupt?
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe, sagt Jesus.
Ich bin ja in Ihrer Kirche heute nur zu Gast, liebe Gemeinde. Ich weiß nicht, ob und was Sie sich an Gedanken zu diesem sehr speziellen Thema gemacht haben. Ob es Sie bewegt oder völlig an Ihnen vorbeigegangen ist. Ich kann Ihnen auch nichts raten und auch nicht beurteilen, wie Sie damit umgehen. Aber ich hoffe, dass vor allem eines im Vordergrund steht. Eben das, was Jesus in unserem heutigen Predigttext fordert: Der liebevolle Umgang miteinander.
Das gilt natürlich nicht nur für das Thema Flüchtlinge und Asylsuchende. Das gilt überall. Wie gehen wir miteinander um? Meine Kinder erzählen mir davon, wie es in der Schule ist. Mobbing ist da an der Tagesordnung.
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe, sagt Jesus.
Wir verfolgen die Nachrichten über den Limburger Bischof Tebartz-van Elst und können uns eine gewisse Häme nicht verkneifen. Nach dem Motto: „Selber Schuld, wenn er so größenwahnsinnig und abgehoben war. Hoffentlich sägt der Papst ihn ganz schnell ab.“ Aber – hat er eigentlich eine wirkliche Chance gehabt, sich zu verteidigen? Ich möchte hier nicht sagen, dass er ein ganz wunderbarer Mensch ist und keine Fehler gemacht hat. Aber doch fragen: Ist das ein christlicher Umgang untereinander, wenn wir bei der Hetzjagd der Medien mitmachen? Welches Licht wirft das auf uns? Ist das Liebe?
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe, sagt Jesus.
Wie kann das denn für unser eigenes Leben aussehen? Wie kann ich denn „liebevoller“ leben? Ich glaube, dazu ist es wichtig, erst einmal den anderen Teil dieses Satzes anzusehen. Liebt euch, „wie ich euch liebe“, sagt Jesus. Er hat es uns vorgemacht. Er hat uns gezeigt, wie das geht. Dieses Lieben.
Und ich glaube, so wahnsinnig viel zu erklären gibt es da gar nicht. Leuten, die nie von Jesus gehört haben, denen müsste man es erzählen. Aber wir, die wir hier sitzen, wir wissen das doch. Dass er unvoreingenommen auf die Menschen zugegangen ist. Dass er nachgefragt hat. Dass er auch mal Kritik geäußert hat am Verhalten eines Menschen, aber nie den Menschen selbst verworfen hat. Dass allein seine Anwesenheit, seine Berührung heilende Kraft hatte. Und dass er diese den Menschen zugewandte Liebe durchgehalten hat bis zuletzt, bis zu seinem Tod, als er von allen verlassen war.
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe, sagt Jesus.
Das kann manchmal ganz schön schwierig sein, dieses Lieben. Sogar frustrierend, wenn man das Gefühl hat, ausgenutzt zu werden. Aber wer, wenn nicht wir, sollte denn damit anfangen, die Welt in eine liebevollere, menschenfreundlichere Welt zu verwandeln? Es gehört nur ein bisschen Aufmerksamkeit dazu für die Nöte anderer. Ein offenes Herz. Und eben – Liebe.
Die Eltern von Leo, der heute in Dittelbrunn getauft wird, haben sich einen Taufspruch ausgesucht, der wunderbar dazu passt, finde ich. Es ist der allerletzte Satz des Matthäusevangeliums. Nachdem Jesus auferstanden ist, nachdem er alles durchlitten hat, trägt er seinen Jüngern auf, in alle Welt hinauszugehen, von dem Erlebten zu erzählen – und die Menschen zu taufen. Und dann sagt er: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“.
Jesus ist dabei, wenn wir uns liebevoll unseren Nächsten zuwenden. Das ist doch eine fantastische Perspektive. Lassen Sie uns anfangen damit, die Welt jeden Tag ein bisschen liebevoller, menschenfreundlicher und lebenswerter zu machen.
Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe, wie ich meines Vaters Gebote halte und bleibe in seiner Liebe. 11 Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. 12 Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.