Predigt: Beten - aber wie?
Predigt am Sonntag Rogate
Niederwerrn, 5.5.2013
Text: Mt 6, (5-6) 7-13 (14-15)
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. 7 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. 8 Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. 9 Darum sollt ihr so beten:
Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
10 Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
11 Unser tägliches Brot gib uns heute.
12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
[Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.]14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Liebe Gemeinde!
Zwei Mönche unterhielten sich über die Frage, ob man wohl gleichzeitig rauchen und beten dürfe. Sie kamen zu keinem eindeutigen Ergebnis und beschlossen, ihren jeweiligen Abt zu fragen. Als sie sich wieder trafen, sagte der eine ganz betrübt: Nein, mein Abt hat gesagt, es ist nicht erlaubt, beim Beten zu rauchen. Der andere entgegnete fröhlich: „Also, mein Abt sieht da überhaupt keine Probleme. Ich habe ihn nämlich einfach gefragt, ob ich beim Rauchen beten darf – da hat er natürlich ja gesagt.“
Eigentlich erzähle ich als passionierter Nichtraucher diesen Witz ja nur sehr ungern, aber er passt heute einfach sehr gut. Ums Beten geht es natürlich heute, an diesem Sonntag Rogate. Und ein ganz wichtiger Text steht heute im Mittelpunkt. Sie kennen ihn alle: Das Vaterunser. Das Gebet, das alle Christen auf der Welt verbindet, denn es stammt von Jesus selbst.
Wie geht es Ihnen bei diesem Gebet, wenn wir es im Gottesdienst beten? Sind Sie immer ganz dabei, schweifen Sie in Gedanken ab? Als Pfarrer habeich ja nach Möglichkeit den Text immer vor mir, nicht weil ich ihn nicht auswendig könnte. Sondern weil ich ihn zu gut kann und die Gedanken manchmal dann abschweifen. Und weil es dann immer wieder mal passiert, dass man sich verhaspelt. Wenn man dann als Pfarrer noch vom Mikrofon verstärkt wird, ist das oft ziemlich peinlich. Beim Vaterunser ist es mir noch nicht so oft passiert, aber beim Glaubensbekenntnis ist mir schon mal rausgerutscht „gelitten unter Pontius und Pilatus“. Eine Silbe mehr, bringt gleich Unruhe in das gemeinsame Sprechen der Gemeinde.
Also – wie beten wir eigentlich? Und was beten wir? Was ist uns wirklich wichtig?
Vielleicht sollten wir lieber mal darauf sehen, was Jesus da vor und nach dem eigentlichen Vaterunser zu uns gesagt hat. Da stehen nämlich noch viele, sehr wichtige Dinge. Ich lese also nochmal unseren Text vor – aber ohne das eigentliche Vaterunser.
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. 6 Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten. 7 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. 8 Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.
14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Ja, wie jetzt, liebe Gemeinde. Sollen wir uns vielleicht nicht mehr öffentlich zu Jesus bekennen? Soll es keine Kirchentage mehr geben, keine öffentlichen Gottesdienste, keine Friedensgebete und all das?
Doch, natürlich. Wir leben auch in einer ganz anderen Situation als damals. Vielleicht würde Jesus heute sogar eher sagen „Bekennt euch in der Öffentlichkeit zu Gott!“ - denn heute ist es ja eher so, dass man schon schräg angeschaut wird, wenn man sich zum Christentum bekennt. Vorgestern habe ich eine Karikatur gesehen. Drei Kinder unterhalten sich über eine Mutprobe, sagen zu dem einen: „Du gehst jetzt da rüber zu den anderen und sagst ihnen, dass du jeden Tag betest!“ Antwort: „Kann ich nicht lieber da von dieser hohen Mauer springen?“
So ist das bei uns heute. Wir trauen uns schon gar nicht mehr in die Öffentlichkeit, je nach Umgebung. Wir haben Angst, ausgelacht zu werden. Die Älteren von Ihnen vielleicht nicht, aber bei Jugendlichen ist das schon durchaus nicht immer leicht, sich zu seinem Glauben zu bekennen.
Wie gesagt: Die Situation war damals eine ganz andere. Glauben war selbstverständlich. Auch, den eigenen Glauben zu praktizieren. Es gab regelrecht so etwas wie einen Wettbewerb darum, wer am besten glaubt. „Schaut mal, wie toll ich beten kann!“ - nach dem Motto stellten sich manche in die Kirche, pardon, in die Synagoge. Dazu sagt Jesus: So soll es nicht sein bei euch. Beten ist nicht dazu da, um damit anzugeben. Beten ist überhaupt nicht dazu da, irgend etwas anderes zu tun als eine eigene Beziehung zu Gott aufzubauen.
Wie dann beten? Das ist wirklich nicht einfach zu sagen. Vielleicht nur so: Es ist etwas Persönliches, und weil wir alle verschieden sind, kann das auch ganz verschieden aussehen. Es kann wirklich sein, dass der eine beim Beten rauchen kann und das für ihn völlig normal ist. Die nächste schickt nur gelegentlich ein heimliches Stoßgebet zum Himmel. Der dritte schließt sich in sein Zimmer ein, zündet eine Kerze an und findet nur dort zur Ruhe.
Und auch die Frage, wie es mit dem Beten im öffentlichen Raum oder in der Kirche ist, sieht heute vielleicht ganz anders aus. Manchmal, wenn ich in eine offene Kirche gehe, zum Beispiel in St. Johannis, dann sehe ich da Menschen sitzen, ganz ins Gebet vertieft. Als wäre ein Vorhang um sie herum, sitzen sie da, haben alles um sich herum ausgeblendet. Ich glaube, das wäre ganz im Sinne Jesu. Andere dagegen sitzen da und scheinen irgendwie zu hoffen, dass sie gesehen und für ihre Frömmigkeit bewundert werden. Auch beim Besuch des Sonntagsgottesdienstes gibt es ja schon immer diese Vorwürfe, das höre ich immer wieder von Leuten, die sich rechtfertigen, warum sie so selten in die Kirche gehen: "Das ist doch nur Schau! Die wollen doch nur ihr neues Kleid vorführen!" oder so was.
Wie ist es denn bei Ihnen? Welche Motive haben Sie, um heute hier zu sein? Seien Sie doch mal wirklich ganz ehrlich zu sich selbst. Warum sind Sie heute früh aufgestanden und haben sich auf den Weg zu diesem Gottesdienst gemacht?
Wollen Sie gesehen werden? Kommen Sie, weil man das halt so macht? Wollen Sie hinterher über das Kleid der Nachbarin lästern können? Oder suchen Sie wirklich Gottes Nähe? Eine Beziehung zu ihm?
Selbstverständlich gehört zu dieser Gottesbeziehung auch die Beziehung zu anderen Menschen dazu. Wer immer nur allein betet, dessen Glaube wird meistens verkümmern. Wir brauchen das, dass wir uns gegenseitig unseres Glaubens vergewissern. Uns stärken. Uns auch mal tragen durch Zeiten, in denen die Gedanken abschweifen, das Vaterunser nur halbherzig mitgebetet wird. Dafür ist es gut, gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Da soll es nicht um die Schau gehen, sondern um Beziehung. Nicht um Anerkennung und den besten Platz, sondern um Gemeinschaft.
Durch diese Gemeinschaft gestärkt, können wir dann auch wieder in den Alltag gehen. Aber auch da ist es wichtig: Das Gebet. Beten Sie eigentlich noch täglich? Haben Sie noch eine persönliche Beziehung zu Gott in Ihrem Alltag? Rogate heißt dieser Sonntag: Betet!
Nächste Woche feiern wir wieder unseren MehrWegGottesdienst in St. Johannis. Ich verrate Ihnen heute schon mal etwas, was wir dort machen werden, denn es passt einfach so gut: Wir laden die Leute ein, sich gewissermaßen selbst zu verpflichten, eine Woche lang jeden Tag ganz bewusst zu beten. Sich berühren zu lassen von Gott. Die Begegnung wieder ganz neu zu finden. Könnten Sie doch auch mal ausprobieren, wie das so ist. Dann haben Sie nächste Woche schon mal einen gewissen Vorsprung. Gott jedenfalls wartet auf Sie. Im stillen Kämmerlein, in der Kirche oder meinetwegen auch beim Rauchen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.