Predigt: Behaltet euch das Staunen!

Predigt beim Schulanfangsgottesdienst der Landwirtschaftsschule Schweinfurt
Schweinfurt, 21.10.2013

Diesmal leider ohne Aufnahme zum Nachhören.

Liebe Schülerinnen und Schüler der Landwirtschaftsschule, liebe Lehrerinnen und Lehrer!

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu 300 Jahre Nachhaltigkeit, liebe Förster! Herr Lang hat es mir erzählt, und bei Wikipedia habe ich dann zum ersten Mal von Hans Carl von Carlowitz gelesen. Ich muss gestehen, ich dachte, das wäre so ein Modebegriff. Dass Sie das schon seit Jahrhunderten pflegen, finde ich wirklich bemerkenswert. Und auch wenn der Begriff heute schon wirklich zum Modewort verkommen ist und für vieles herhalten muss, was eigentlich gar nicht wirklich nachhaltig ist: Die Idee, die dahinter steht, ist glaube ich unsere einzige Chance, auf dieser Erde dauerhaft zu überleben. Einfach: Der Natur nicht mehr zu entnehmen, als sie auch nachproduzieren kann.

Das allerdings ist ein immer schwierigerer Job, der für Sie viel Verantwortung bedeutet. Wie sieht das aus, wenn man auch noch die Verantwortung für einen Familienbetrieb hat? Soll der Betrieb versuchen zu wachsen, oder gibt es eine „vernünftige“ Größe, über die hinaus ein Wachstum vielleicht nicht gut ist – für die Menschen, die im Betrieb arbeiten, für den Betrieb, auch für die Natur? Aber wie kann ich mich gegen die Großbetriebe wehren, die sich höhere Pachtpreise leisten können?

Alles wichtige Fragen, von denen nicht nur die Zukunft der Natur um uns herum abhängt, sondern natürlich genauso auch die Zukunft Ihres Betriebs. Entscheiden müssen Sie, und manchmal mag es eine ziemlich einsame Entscheidung sein, die Sie zu treffen haben.

Viel haben Sie dafür zu lernen in diesem Schuljahr, damit Ihre Entscheidungen dann auch gut sein können. Damit Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden können. Damit Sie auch bei so Dingen wie der Umsetzung der EU-Agrarreform durchblicken. Damit Sie im harten Wettbewerb bestehen können und all das.

Eines wünsche ich Ihnen von Herzen: Dass Sie über all diesen zum großen Teil betriebswirtschaftlichen Dingen nie die Liebe zur Natur vergessen. Dass Sie immer wieder mal auch staunen können darüber, wie aus so einem kleinen Samenkorn so etwas Wunderbares werden kann. Dass Sie auch in 30, 40 Jahren noch Freude empfinden können über die Geburt eines Tieres.

Dass Sie Ihren Betrieb nicht nur als Produktionsstätte sehen, sondern als einen Ort, an dem das Wunder des Lebens geschieht, immer wieder neu.

Dass Sie sich die Ehrfurcht vor diesen Dingen bewahren.

Das sind natürlich alles andere als neue Erkenntnisse. Schon vor 2500 Jahren hat jemand, wir wissen nicht genau wer, in einem Gebet sein Staunen beschrieben. Es ist uns überliefert in der Bibel, als Psalm 104. Ich möchte Ihnen ein Stück daraus vorlesen und hoffe, dass Sie etwas spüren von diesem Wunder, das den Beter damals berührt hat. Und dass Sie etwas von diesem Wunder in Ihrem Schulalltag und in Ihrem Arbeitsalltag behalten.

Ps 104, 25-34 – Übersetzung: Jörg Zink

Ich will dich rühmen, mein Herr und mein Gott!
Wie bist du so groß!
Da ist das Meer,
so groß, so weit und so breit!
Dort ist ein Gewimmel von kleinen Tieren und von großen,
es ist nicht zu zählen.
Dort kriechen Ungeheuer in der Tiefe
und Schreckensgestalten, die du gebildet hast,
um damit zu spielen.
Sie alle warten auf dich,
dass du ihnen Nahrung gibst zur rechten Zeit.
Wenn du sie ihnen gibst, dann essen sie.
Wenn du deine Hand öffnest,
werden sie satt an guter Speise.
Wenn dein Angesicht dunkel wird,
erschrecken sie.
Wenn du ihren Atem wegnimmst,
sterben sie und werden wieder zu Staub.
Gibst du ihnen deinen Atem,
dann entstehen sie
und neu wird das Leben auf der Erde.
Ich will dem Herrn singen mein Leben lang.
Ich will meinem Gott spielen,
solange ich da bin,
und wünschte,
Gott hätte Freude an meinen Worten.
Ich freue mich über den Herrn.
Amen.

Aus: Jörg Zink: Womit wir leben können. Das Wichtigste aus der Bibel in der Sprache unserer Zeit. Kreuz Verlag Stuttgart 1963