Jesus und das verpatzte Weihnachten
Predigt an Weihnachten 2007/2013
Gochsheim, 25.12.07; Grettstadt, 25.12.07; Sennfeld, 26.12.07; Schwebheim/EGZ, 30.12.07; Christuskirche/Dittelbrunn, 25.12.2013
Text: 2. Kor 8, 9
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Liebe Gemeinde!
Wir feiern Weihnachten – wie jedes Jahr, haben wir uns auch heuer beschenkt, haben uns getroffen in den Familien, tun es vielleicht noch in diesen Tagen. Wir freuen uns, wir zünden Kerzen an gegen die Dunkelheit, wir singen Weihnachtslieder. Auch wenn die Wirklichkeit in vielen Familien wohl anders aussieht; auch, wenn es vielerorts auch an Weihnachten Streit gibt in den Familien, wenn manche Menschen sich gegenseitig nur noch auf die Nerven gehen, weil man ja so eng zusammenhockt wie selten im Jahr: Dieses Ideal von Weihnachten im Kreis der Familie, der Lieben, das ist in unseren Köpfen einfach drin. Und wenn dieses Ideal nicht erfüllt ist, dann haben wir das Gefühl, dass Weihnachten irgendwie verpatzt ist.
Wie viele Menschen wohl in diesem Jahr ein „verpatztes“ Weihnachten feiern? Eines, in dem nicht alles Friede, Freude, Lebkuchen ist? Ich höre von Familien, in denen sich die Eltern trennen. Ich höre von Menschen, die im Krankenhaus mit dem Tod ringen oder zu Weihnachten nach Hause kommen, weil es eh keinen Sinn mehr hat im Krankenhaus und sie lieber zu Hause sterben wollen. Ich höre von Menschen, die in diesen Tagen vor Weihnachten noch ihre Kündigung bekommen. Und ich höre von Menschen in anderen Teilen der Welt, die noch viel größere Probleme haben. Ich höre von Millionen Kindern, die jedes Jahr an Hunger und den damit verbundenen Krankheiten sterben. Wie kann da Weihnachten sein?
Vielleicht sind unsere Erwartungen an Weihnachten ja einfach auch falsch. Vielleicht ist das zwar etwas ganz Schönes, was wir uns da vorstellen. Versöhnung in den Familien, Gemeinsamkeit, Freude und Friede. Aber was Weihnachten wirklich ausmacht, das sagt uns unser heutiger Predigttext. Und er sagt es in einer Kürze und Prägnanz, die schon erstaunlich ist. Hören Sie gut hin:
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Das war schon unser ganzer Predigttext aus 2. Korinther 8, Vers 9. So kurz, dass ich ihn nochmal vorlese:
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
In diesem kurzen Satz liegt eigentlich schon das ganze Wunder von Weihnachten.
Und wie Paulus es auch sagt: Ihr kennt es ja auch schon, dieses Wunder. Ihr kennt diese Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Das ist es, was an Weihnachten geschieht: Er, der Sohn Gottes, er, der gewissermaßen alles haben kann, er will nur eines: So arm werden wie wir. Und am besten noch ein bisschen ärmer. Er wird ein Mensch, ganz und gar. Ein kleines, zartes Kind, das genau so schreit, friert, Hunger und Blähungen hat wie jedes Baby auf der ganzen Welt. Ein kleines, zartes Kind, das aber so arm ist, dass es kein weiches Kinderbettchen bekommen kann. Ein kleines, zartes Kind, das so arm ist, dass es in einer Futterkrippe liegen muss. Nicht zu den Königen kommt er zuerst, sondern zu den Armen. Die Hirten sind die ersten, die diese frohe Botschaft hören: Menschen, die damals eher Außenseiter waren. Menschen, mit denen sich keiner abtun wollte: Die hören zuerst, was die Engel zu verkünden haben: „Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird!“
Jesus wurde arm um unseretwillen. Er wurde nicht einfach nur ein Mensch, nein, er wurde ganz bewusst ein Kind einfacher Eltern. Ein Kind, das gerade mal das allernötigste zum Leben hatte.
Wenn Jesus heute auf die Welt käme – wo würde er geboren werden? Das frage ich mich manchmal. Vielleicht in Lateinamerika, als Kind einfacher, ausgebeuteter Bauern. Vielleicht in Zentralafrika, wo seine Eltern täglich gegen das Verhungern ankämpfen. Vielleicht aber doch auch in Deutschland. Irgendwo in einer Sozialwohnung. Bei Hartz-IV-Empfängern. Bei Asylbewerbern, die wieder abgeschoben werden in ihr Heimatland. Oder als Kind einer alleinerziehenden Mutter, die nicht weiß, wie sie die Heizung bezahlen soll, geschweige denn etwas zu Essen für ihr Kind.
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Was soll das dann aber bedeuten? Keine alleinerziehende Mutter kriegt auch nur einen Cent mehr, nur weil Jesus Christus auf unsere Welt gekommen ist. Kein Kind weniger muss deswegen verhungern. Nein, das ist ja auch klar: Paulus geht es hier, wenn er von Jesus redet, nicht um finanziellen Reichtum. Ihm geht es um viel tiefer gehenden Reichtum. Ihm geht es um einen Weg zu Gott. Ihm geht es um nichts weniger als das ewige Leben!
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Jesus wird arm. Er kommt mitten hinein in unsere Welt. Er macht keine Unterschiede. Er schließt keinen Menschen aus. Er zeigt uns, wie Gott ist: Wie sehr er uns Menschen liebt. Er zeigt uns, was Gottes Wille für uns ist: Wie wir einander lieben sollen, wie wir miteinander umgehen sollen. Das ist der Reichtum, den Jesus uns schenkt: Der Reichtum, dass wir Gottes Liebe kennen lernen. Der Reichtum, dass wir erfahren, wie wir miteinander leben können.
Ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.
Ja, wir sind reich, liebe Gemeinde! Nicht nur reich an Geld. Nein, viel wichtiger: Reich an Liebe. An Gottes Liebe. Und diese Liebe, die können wir weitergeben untereinander. Wir wissen, wie das geht. Wir wissen, was dafür nötig ist. Und wir sehnen uns danach. An Weihnachten, da soll das alles funktionieren. Da versuchen wir, uns zu versöhnen, mit unseren Familien, mit Menschen, die um uns herum sind. Wir träumen davon, ein perfektes Weihnachtsfest zu feiern. Warum kann es nicht das ganze Jahr so sein? Und warum sorgen wir nicht dafür, dass es das ganze Jahr so sein kann?
Wir sind reich, liebe Gemeinde. Reich auch an Geld. Und darum geht es Paulus nämlich letztlich doch in dem Abschnitt, aus dem unser heutiger Predigttext stammt. Er will die Korinther dazu anspornen, sich an der Sammlung für die armen Gemeinden zu beteiligen. So schreibt er ein paar Verse weiter:
13 Ihr sollt nicht selbst Mangel leiden, damit andern geholfen wird. Vielmehr soll es zu einem Ausgleich kommen.
14 Im Augenblick habt ihr mehr als die andern. Darum ist es nur recht, dass ihr denen helft, die in Not sind. Wenn dann einmal ihr in Not seid und sie mehr haben als ihr, sollen sie euch helfen. So kommt es zu einem Ausgleich zwischen euch.
Ausgleich zwischen Arm und Reich. Ausgleich sogar zwischen Gott und den Menschen: Das ist es, was Weihnachten ausmacht. Jesus macht es uns vor: Er, der reich war, wird arm, damit wir reich werden können.
Wir, reich beschenkt mit Gottes Liebe, können nun auch ein wenig abgeben von diesem Reichtum. Wir können Liebe weitergeben. Auf andere Menschen zugehen, auch wenn sie uns manchmal nerven. Einen neuen Anfang versuchen mit einem Menschen, der uns weh getan hat. Und wir können diese Liebe auch weitergeben, indem wir von unserem finanziellen Reichtum ein wenig abgeben, damit es zum Ausgleich kommt in der Welt. Zum Ausgleich zwischen denen, die nichts haben und denen, die viel haben. Wenn wir uns für Gerechtigkeit einsetzen, dann können wir auch etwas bewegen. Dann kann es wirklich sein, dass weniger Kinder vor Hunger sterben müssen, weil Jesus auf die Welt gekommen ist. Dann kann es auch sein, dass Menschen in Not in unserem Land mehr bekommen, genug zum Leben. Wenn wir uns dafür einsetzen, wenn wir Christen auf der ganzen Welt für Gerechtigkeit eintreten, dann können wir auch etwas bewegen.
Wenn wir das erreichen, wenigstens ein wenig dazu beitragen, dann wird es wirklich Weihnachten auf dieser Welt. Dann kann Frieden einkehren auf Erden, so wie es der Engel den Hirten verkündet hat: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden, den Menschen seines Wohlgefallens!“
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.