Video-Predigtslam: Die Sehnsucht bleibt

Video-Predigtslam zum 15. Sonntag nach Trinitatis 2020

Das Video dazu finden Sie auf evangelisch.de (klick hier) 

Text: Gen 2,15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Gepäckaufbewahrung am Hauptbahnhof. Gott kommt rein, eine Erde unterm Arm. „Können Sie die hier für mich aufbewahren?“ „Gibt Sperrgutzuschlag, aber bitte, hier Ihr Abholschein. Alpha-Omega 144.“

„Dass er ihn bebaute und bewahrte.“ So heißt’s in der Erzählung von der Schöpfung der Welt. Erst mal nur der Garten Eden, doch wir wissen ja alle, was dann kam. Apfel, Rausschmiss, Arbeit im Schweiße deines Angesichts.

Haben wir alles gemacht. Haben bebaut. Haben versucht, uns dem Paradies wieder anzunähern. Im Schweiße unseres Angesichts.

Die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht nach dem Paradies.

Doch wir sind vertrieben, getrieben, aufgerieben von der Sehnsucht, der verfluchten Sucht, auf der Flucht vor der Welt, vor dem Schweiß des Angesichts. Wollen immer mehr. Mehr Komfort, mehr Sicherheit, mehr Geld, mehr alles. Und weniger Schweiß, Tränen, Arbeit, weniger Tod und Krankheit.

Die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht nach dem Paradies.

Die mit Macht und Geld auf der Welt hält nichts zurück. Sie kaufen, was sie brauchen, tauschen die Not der vielen gegen ihr kleines Glück.

Und wir – wir gehören dazu. Selbst die Ärmsten in unserem Land sind reich im Vergleich.

Die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht nach dem Paradies.

Wird nicht gestillt durch Wellness, Urlaub, Autos und Flugreisen. Wird nicht gestillt durch Mehr und immer Mehr.

Die Sehnsucht bleibt. Die verfluchte Sehnsucht nach dem Paradies.

Wir bebauen, was geht. Hauen raus, schauen auf Profit und nicht auf Konsequenzen.

Die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht nach dem Paradies.

Und wir machen es kaputt, das Paradies.

Die Wälder brennen überall. Flüchtlingslager auch. Plastik schwimmt in den Ozeanen. Der Meeresspiegel steigt. Menschen ersaufen jämmerlich auf der Flucht, die doch nur menschenwürdig leben wollten. Unwetter, Unruhen, Unglück und unser unseliges Unvermögen uns zu begrenzen machen die Welt zur Hölle. Ganz wörtlich. Unsere Enkel werden die Höllenhitze spüren, noch mehr als wir. Sie werden von der Küste fliehen. Sie werden verhungern oder verdursten, an Überhitzung sterben oder auf der Flucht vor dem Meer. Sie werden die Hölle spüren, die wir auf der Suche nach dem Paradies erschaffen haben.

Doch umkehren können wir nicht. Denn die Sehnsucht bleibt. Die Sehnsucht nach dem Paradies.

Gepäckaufbewahrung am Hauptbahnhof. Gott kommt rein. „Hallo, ich habe einen Abholschein. Alpha-Omega 144.“ „Oh, tut mir Leid, Ihr Gepäck ist leider ein kleines bisschen beschädigt. Sie wissen, laut AGB übernehmen wir bei Beschädigung keine Haftung.“

Und nun? Was wird Gott tun? Lässt er uns untergehen? Oder wird er unser unseliges Unvermögen ungeschehen machen? Wird er die Wälder löschen, die Flüchtigen beheimaten, die Trauernden trösten, die an Leib und Seele Verletzten heilen, das Meer reinigen und besänftigen, die Höllenhitze kühlen, uns neues Leben schenken? Wird er unter uns wandeln und Trauer und Krankheit in Freude verwandeln und Waffen in Pflugscharen? Wird er, er mit uns, im Schweiße seines Angesichts neu aufbauen, was wir zerstörten?

Das wäre es – das Paradies. Doch manchmal meine ich, ihn schon zu spüren. Er wandelt hier. Bei uns. Ich sehe ihn. In den Augen eines Menschen, der aus dem brennenden Moria floh. In der Mutter, die ihr verhungertes Kind zurücklassen musste. In dem Kind, das jeden Tag geschlagen wird. In den vielen, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen. Aber auch in dem Delphin, der mit dem Magen voll Plastik verhungerte. In den Millionen Tieren, die im brasilianischen Urwald verbrennen. Ich sehe ihn. Er ist da.

Gott wandelt hier. Bei uns. Er will die Welt wandeln. Er hat eine Sehnsucht. Die Sehnsucht nach uns. Im Paradies.