Predigt: Jesu Vollmacht

Predigt am Sonntag Reminiscere 2015
Volkershausen/Maßbach, 1.3.2015

Text: Mk 12, 1-12

Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. 2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. 3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. 4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. 5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. 6 Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! 8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. 9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. 10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22.23): "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. 11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen"? 12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, daß er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

 

Liebe Gemeinde!

Was soll ich Ihnen zu diesem Gleichnis eigentlich noch groß erzählen? Ist doch eigentlich völlig klar, das alles. Die bösen Weingärtner, das sind die Schriftgelehrten und Pharisäer. Der Herr des Weinbergs ist Gott. Und der hat im Lauf der Zeit viele, viele Propheten geschickt, die alle ausgelacht oder sogar getötet wurden. Und nun, zuletzt, schickt er seinen eigenen Sohn. Und den werden sie auch töten.

Böse, böse Pharisäer. Ende der Geschichte.

Amen.

Wir singen jetzt das Lied ... nein, natürlich nicht. Um dieses Gleichnis wirklich zu verstehen, müssen wir aber ein bisschen tiefer graben. Müssen versuchen zu verstehen, wie es zu dieser Erzählung überhaupt kommt. Werfen wir mal einen Blick auf das Markus-Kapitel davor, Kapitel 11. Da erzählt Markus vom Einzug Jesu in Jerusalem. Palmsonntag. Die Menschen jubeln ihm zu, diesem Jesus. Doch die Schriftgelehrten und Pharisäer, sie bleiben skeptisch, und das kann man ihnen doch wirklich nicht verdenken. Wir sind ja mehr oder weniger groß geworden mit dieser Gleichsetzung von Pharisäern und Schriftgelehrten als den „Bösen“. Aber versuchen Sie doch mal, sich in deren Rolle hineinzuversetzen. Menschen, die ihren Glauben ernst zu nehmen versuchen. Menschen allerdings auch, die sich deswegen manchmal für etwas Besseres halten als der Rest. Menschen, die aber kritisch nachfragen, wenn da einer die Massen mobilisiert: In wessen Namen redet der da? Woher nimmt er seine Vollmacht, von Gott zu reden, wie er es eben tut? Der Konflikt heizt sich auf:

Erst verflucht Jesus einen Feigenbaum, so dass er verdorrt. Und dann kommt er in den Tempel und schmeißt die Tempelhändler raus. Wie kann er das wagen? Das Volk aber hängt ihm an den Lippen, jubelt ihm zu, verehrt ihn. Ein gefährlicher Aufwiegler, so würden wir vermutlich auch heute urteilen. Vielleicht würden wir nicht sagen „Der muss weg! Der muss sterben!“ - aber wegen Hausfriedensbruchs würde er mindestens verhaftet werden, wenn nicht sogar wegen Volksverhetzung. Und immer wieder versuchen sie doch, mit ihm ins Gespräch zu kommen, mit ihm zu streiten. Ganz direkt fragen sie ihn: Aus welcher Vollmacht heraus tust du das, was du tust? Kommt diese Vollmacht von Gott, oder – unausgesprochen – hast du sie dir gewissermaßen selber angeeignet? Und jetzt lese ich einfach die letzten Verse aus Kapitel 11 noch vor:

29 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich will euch auch eine Sache fragen; antwortet mir, so will ich euch sagen, aus welcher Vollmacht ich das tue.

30 Die Taufe des Johannes – war sie vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir!

31 Und sie bedachten bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, sie war vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt?

32 Oder sollen wir sagen, sie war von Menschen? – da fürchteten sie sich vor dem Volk. Denn sie hielten alle Johannes wirklich für einen Propheten.

33 Und sie antworteten und sprachen zu Jesus: Wir wissen's nicht. Und Jesus sprach zu ihnen: So sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.

Es geht also im Kern um die Frage: Glauben wir diesem Jesus, dass das, was er tut, sagt, predigt, dass er das aus der Vollmacht Gottes heraus tut? Glauben wir diesem Jesus, dass er mehr ist als nur irgend ein religiöser Spinner? Glauben wir ihm, glauben wir AN ihn, glauben wir, dass er der Messias ist, der Erlöser?

Seien Sie doch mal ganz ehrlich zu sich selbst. Glauben Sie es? Trauen Sie diesem Jesus wirklich etwas zu? Haben Sie aber nicht auch mindestens ein seltsames Gefühl, wenn in manchen Freikirchen Wunderheilungen gefeiert werden?

Sind wir, die ganz normale Volkskirche in ihren hunderttausend Ausprägungen, zu lasch, zu kritisch geworden? Ist das vielleicht unser eigentliches Problem: Dass wir nicht mehr wirklich an diese Vollmacht Jesu glauben. Dass wir eigentlich eher wie die Pharisäer und Schriftgelehrten sind, skeptisch, zögernd, fragend, kritisch, ungläubig?

Würden Sie Jesus erkennen, wenn er vor Ihnen stünde? Oder würden Sie sagen: Was für ein Spinner? Würden Sie ihn auch einbuchten, verurteilen, lieber Ihr bisheriges Leben weiterführen?

Aus welcher Vollmacht heraus tust du das, Jesus? Es ist eine bewusste Entscheidung, Jesus etwas zuzutrauen. Ihm ALLES zuzutrauen. Der berühmte Satz über den Glauben steht auch in diesem Kapitel 11, kurz vor unserem Predigttext: „Wer zu diesem Berge spräche: Heb dich und wirf dich ins Meer!, und zweifelte nicht in seinem Herzen, sondern glaubte, dass geschehen werde, was er sagt, so wird's ihm geschehen.“

Auf den Punkt gebracht: Wenn wir nicht wirklich, wirklich auf diese Vollmacht Jesu vertrauen, dann gehören wir zu denen, die ihn zum Tod verurteilen. Dann sind wir keinen Deut besser als die Pharisäer oder die Weingärtner, die den Sohn des Weinbergsbesitzers erschlagen haben. WIR haben ihn getötet. UNSERETWEGEN ist er gestorben. Das hören wir jedes Jahr, ja, fast jeden Sonntag. Aber nehmen wir es ernst? Vielleicht können wir auch nur mit den Worten des römischen Hauptmanns rufen: „Ich glaube, Herr, hilf meinem Unglauben!“

Und darin liegt dann auch wieder die gute Nachricht: Jesus ist wegen unseres Unglaubens, unseres Zweifels, unserer Sünden gestorben, ja. Aber auch, wenn Ostern im Kirchenjahr noch vor uns liegt, wissen wir doch: Für Gott ist die Geschichte an dieser Stelle noch nicht zu Ende. Diese Vollmacht Jesu, sie kommt von Gott. Und für Gott ist selbst mit dem Tod nicht alles aus.

Das ist in unserem heutigen Predigttext natürlich noch Zukunftsmusik. Aber es zeigt uns: Selbst, wenn unser Glaube manchmal schwach ist: Es ist gut, auf ihn zu vertrauen. Auf diesen Jesus. Er kann Wunder wirken. Er kann unser Leben verändern.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.